To brie or not to brie – Abenteuer in Bordeaux Teil III

Kommentar von heute (2015): Das ist meine Lieblingsmail bisher… Sie ist derart bekloppt, aber genial, weil tatsächlich wahr… da denke ich jeweils: Das kann wirklich nur mir passieren…

Ménage à trois – Malatroi(s)te

Salut mes poulets!

Nur so zur Info gleich am Anfang: Wer sich beim Titel dieser Mail schon auf eine schlüpfrige Bettgeschichte gefreut hat, den muss ich leider enttäuschen. (Wie ihr auf den Gedanken kommen konntet, dass ich sowas erleben, geschweige denn in aller Öffentlichkeit breittreten würde, ist mir ohnehin unerklärlich!) Aber wie der Titel schon sagt und vielleicht dem einen oder anderen, der mit mir das Gymnasium abgeschlossen hat, in Erinnerung rufen mag: Ich habe wieder mal meine Unterwäsche verloren (ganz offensichtlich habe ich eine Begabung dafür). Aber ihr müsst jetzt nicht weinen, es gibt nämlich ein Happy End, wo ich sie wieder finde und wir glücklich und frei zusammen in den Sonnenuntergang reiten! Darüber hinaus erfahrt ihr, wie immer, mehr über mich, als ihr jemals wissen wolltet.

Ich habe ja jetzt ein Fitnessabo – und gehe auch ganz fleissig, solange ich noch nicht mit Lernen und Trinken beschäftigt bin. Bekannterweise schwitze ich bereits bei geringen körperlichen Anstrengungen wie Sitzen oder Stehen wie eine Sau. Wenn man den Schweiss, den ich bei Aktivitäten, die man dann vielleicht langsam als Sport bezeichnen könnte, verliere, ins Meer giessen würde, könnte man vermutlich die Niederlanden fluten. Meine Kleider sind dann jeweils auch nicht feucht sondern klitschnass. So richtig gruuuusig. Darum hänge ich sie immer an der Wäscheleine auf, die unter meinem Fenster angebracht ist, bevor ich sie dann in den Wäschekorb (vielmehr ein Plastiksack der zu dieser Position aufgestiegen ist) werfe (natürlich nicht ohne sie vorher ordentlich mit Billig-Febreze zu besprühen).

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Wäscheleine à la française…

Waschen ist so ne Sache für sich. Sogar ich wusste, dass sich Wäsche ganz schnell verfärbt, wenn man sie nicht sorgfältig trennt. Geholfen hat es trotzdem nichts und ich bin jetzt im Besitz mehrerer rosafarbener Leintücher und einer immer noch leuchtend roten Socke… Da ich eine solche Unordnung in meinem Zimmer habe, weiss ich ausserdem nie, welche Kleider jetzt noch sauber, bereits ‹angetragen› oder nun wirklich dreckig sind. Es gibt immer mehrere Stapel, aber da ich die Ordnung nie einhalte, türmen sich alle mögliche Wäschestadien über- und durcheinander. Aus diesem Dilemma heraus habe ich den (vermutlich bei Studenten bereits allgemein bekannten und regelmässig praktizierten) Schnüffeltest entwickelt. Ich rieche mich durch meine Kleider durch und stelle mir bei jedem Stück die Frage, ob ich das jetzt noch anziehen kann (immer mit dem Bild von mir im Kopf, wie das wohl von aussen aussehen muss, wenn ich mich durch mehrere Stapel Kleider arbeite. Grenouille lässt grüssen.) Ob Eltern das mit ihrem Kind auch so machen, wenn es im Windelalter ist? „Hey, das ist ja noch ganz frisch!“ oder „Najaaaa – sprühst halt ein bisschen Parfüm drauf, dann merkt das niemand.“ „Um Himmels Willen, wie lange liegt das schon da! Das muss sofort in die chemische Reinigung!“ „Das wird nie mehr sauber, das kann man gleich wegwerfen!“ „Huch, das rosa Teil hat hat sich beim Waschen ja verfärbt! Ich dachte, das wäre farbfest, aber jetzt auf einmal blau!“ Naja, zugegeben: Tumblern würde ich den Kleinen dann doch nicht. Ich bin ja kein Sadist!a

Also auf jeden Fall war ich an jenem Tag im Fitnessstudio und meine Kleider dementsprechend verschwitzt. Comme d’habitude habe ich sie dann schön auf meiner Wäscheleine aufgehängt. Zumindest habe ich es versucht. Dummerweise ist mir dann die Unterhose, ein String-Tanga (warum ich den zum Sport anhatte lässt sich im Nachhinein auch nicht mehr rekonstruieren) und eine Socke runtergefallen. Das ist so ein bisschen ungünstig, weil ich im zweiten Stock wohne und keinen Zugang zum ‹Innenhof› habe, der sowieso nur etwa einen Quadratmeter gross ist und dessen einzige Funktion darin zu bestehen scheint, dass die Leute ihre Wäsche irgendwo aufhängen können. Das war dann sogar mir ein bisschen peinlich und ich habe mir auch ernsthaft überlegt, ob ich noch etwas anderes runterwerfen sollte, damit die nicht denken, ich sei total bekloppt. (Ein total durchgeschwitzter String-Tanga. Warum hängt jemand einen dreckigen, verschwitzten Tanga an die Wäscheleine? Warum fliegt so’n Teil aus dem Fenster? Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt!) Natürlich ist ein durchgeschwitzter Tanga, eine Socke und ein nach vanilleblüteduftendes rosafarbenes Leintuch auch nicht viel besser. Aber vielleicht hätte ich mit dem Leintuch den Rest verdecken können, und sie hätten dann meine Unterwäsche gar nicht erst bemerkt. Das Problem war dann aber, dass ich nicht besonders gut zielen kann und Leintuch-Werfen (nicht mal, wenn’s senkrecht ist) nicht zu meinen Stärken gehört. Ausserdem habe ich auch keine Leintücher übrig, deren Hauptaufgabe es ohnehin nicht ist, aus dem Fenster geworfen zu werden, um irgendwelche Klamotten, die ihre Besitzer beschämen, zu überdecken.

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Oups… ein kleines Malheur…

Eine andere Möglichkeit wäre natürlich gewesen, das Ganze einfach da unten zu lassen und so zu tun, als hätte es nichts mit mir zu tun. Aber ich habe schon zu viele Polizei- und Detektivfilme in meinem Leben gesehen und befürchtete, dass sie vielleicht dann eine DNA-Analyse machen und mich der allgemeinen Ruhestörung oder mutwilliger Umweltverschmutzung überführen könnten und das wollte ich lieber nicht riskieren.

Also musste ich wohl oder übel bei meinen Nachbarn (naja, eigentlich wohnen die ja unter mir. Es sind also nicht wirklich Nachbarn sondern Unterbarn – oder Untertanen, wie ich sie im Geheimen gerne nenne – aber der allgemein besseren Verständlichkeit halber, werde ich trotzdem von Nachbarn sprechen) vorbeigehen. Gerade fällt mir ein, dass die vorangehende Abschweifung jetzt mal wirklich überflüssig war. Nachbarn kommt ja wohl eher von ’nahe› als von ’neben› und auch wenn sie unter mir wohnen sind sie in der Nähe. Dabei hatte ich so eine Freude an meiner Unterbarn-Wortkreation! Tja, das Leben ist hart…

Ich sass also am Fenster, starrte meinen Tanga an, der mich in solche Verlegenheit brachte, und überlegte mir, wie ich das am besten anstellen sollte. Sogar in meinem Kopf klang ein Satz bescheuerter als der nächste. Kam hinzu, dass ich die Leute ja gar nicht kannte. Das ist ja mal ne tolle Art, seine Nachbarn kennenzulernen.

(toc toc)
Nachbar: Qui est là?*
Ich: Bonjour. Je suis votre nouvelle voisine.
N: Bonjour.
I: J’ai un problème. Est-ce que vous pourriez m’aider?
N: Peut-être. Qu’est-ce qu’il y a?
I: J’ai perdu mes sou-vêtements!

In den einschlägigen Filmen folgen jetzt meist die Szenen, bei denen die Eltern den chemisch gereinigten Kindern die Augen zuhalten werden.
* Non, ce n’est pas le rat!

Auch nach halbstündigem Nachdenken kam mir keine Version in den Sinn, in der „Es tut mir leid, aber ich habe meine Unterwäsche bei Ihnen im Innenhof verloren!“ nicht blöd klang. Da dachte ich mir, na gut, da musst Du jetzt halt durch. Vielleicht habe ich ja auch Glück, und sie haben es noch gar nicht bemerkt und ich kann mich ganz locker aus der Affäre stehlen. Ich bin also nach unten gegangen und habe an eine der beiden Türen geklopft, von denen ich dachte, dass die Bewohner vermutlich Zugang zum Innenhof hätten. Keine Antwort. Bei der zweiten Tür wurde ich dann zuerst gefragt, wer ich sei und nachdem ich mich als Nachbarin identifiziert hatte, wurde mir die Tür von einem kleinen Mädchen geöffnet, dass dann aber sofort anfing zu brüllen, als es mich sah. (Scheinbar ein Effekt, den ich automatisch auf Kleinkinder ausübe. Vielleicht spüren sie instinktiv, dass ich auch am liebsten schreien würde, wenn ich sie sehe.) Der Mama der Kleinen habe ich dann versucht zu erklären, dass mir etwas beim Waschen heruntergefallen sei. Sie meinte dann aber, sie habe keinen Zugang zum Innenhof. Zumindest denke ich, dass das mehr oder weniger der Verlauf unseres ‹Gespräches› war. Ich glaube weder ihr noch mein Französisch waren wirklich gut.

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Welcher Unterbar verbirgt sich wohl hinter dieser mysteriösen Tür im Eingangsbereich?

Am Abend sass ich wieder beim Fenster und schaute hinab, nur um festzustellen, dass meine Sachen immer noch genau dort lagen, wo sie heruntergefallen waren. Ich konnte mir aber nicht wirklich erklären, ob das ein gutes Zeichen (Noch niemand hat es entdeckt) oder ganz einfach der pure Ekel sowas anzufassen, darstellte. Am nächsten Tag klopfte ich dann erneut an die erste Tür, worauf wieder niemand öffnete. In den folgenden Tagen klopfte ich regelmässig an diese Tür. Es war nie jemand da. Es war beinahe schon eine liebgewonnene Marotte von mir geworden, jedes Mal, wenn ich an der Tür vorbeiging, anzuklopfen. Oft sogar, ohne überhaupt eine Antwort abzuwarten. Umso erstaunter (und ziemlich erschrocken) war ich dann, als auf einmal jemand öffnete. Da standen ein junger und etwas älterer Mann vor mir (die schlimmsten Albträume werden wahr). Ich war so verblüfft, dass mir tatsächlich jemand öffnete, dass ich erstmal einfach ein wenig vor mich hinstarrte, bis ich dann irgendwann ein «Je suis votre voisine. J’ai perdu quelque chose. Pardon.» vor mich hinmurmelte. «Je dois aller dans votre ‹jardin» (ich machte Gänsefüsschen mit meinen Händen, weil mir ja bekannt war, dass es kein Garten war, aber das Wort für Innenhof natürlich nicht parat hatte). Ich druckste mich an ihnen vorbei und schnappte mir meinen Tanga und zwei Socken (eine war ihrem Zustand nach zu urteilen schon länger da – ohne dass ich es jemals bemerkt hätte). Ich lächelte ein wenig und bekam gerade noch mit, dass hier eingezogen wurde. Aber vor allem war ich damit beschäftigt, mit meinen Händen meine Unterwäsche zu verbergen, bevor ich mich wieder in meine Wohnung flüchtete.

Im Nachhinein war mir das Ganze dann gleich doppelt peinlich. Erstens wegen der Unterwäsche und zweitens, weil ich so unhöflich gewesen war. Mir gingen wahre Horrorvisionen meiner selbst durch den Kopf, die sich vermutlich nicht wirklich so abgespielt hatten, aber die Vorstellung davor reichte aus, mir ein schlechtes Gewissen zu machen.

 N: Hallo!

I: Klappe! Gib meine Unterwäsche her! Dalli Dalli! Ciao!

Darum bin ich dann am nächsten Tag bewaffnet mit einer Tafel Schokolade noch einmal an der Tür vorbeigegangen, habe artig geklopft und mich nochmals entschuldigt und vorgestellt, wie das jeder normale Mensch wahrscheinlich  auch gemacht hätte. Es hat sich dann herausgestellt, dass der junge Mann Jérémy heisst und bald sein erstes Semester an der Universität in Bordeaux bestreitet. Er wohnt allerdings alleine, der andere Mann, sein Vater, hatte ihm nur beim Umziehen geholfen.  Also habe ich jetzt einen ‹kleinen Freund› oder  frei (und falsch) übersetzt: ‹petit ami›! Auch wenn er natürlich nicht wirklich kleiner ist als ich (ist bei meiner Grösse (Kleine?) ja auch schwierig) und sich eher auf sein Alter (süsse 18) bezieht. Wir haben dann beschlossen am Abend, in das kleine Restaurant gleich nebenan zu gehen „aller boire un verre“.

 

„Aller boire un verre“ oder „manger un assiette“ ist hier sehr gebräuchlich. Der Ausdruck macht mir wieder mal Freude, weil man ja eigentlich weder ein Glas trinkt noch einen Teller verspeist, sondern eher was drinn, respektive drauf ist. Und nein, ich will mich nicht über die französische Sprache lustig machen. Ich bin sicher, es gibt ganz viele Sachen im (Schweizer)Deutschen, die gar keinen Sinn machen, wenn man sie sich einmal überlegt. Zum Beispiel (aber ich weiss nicht, ob das jetzt eine germanophone Besonderheit ist, ich glaube im Englischen z.B. Ist es dasselbe Prinzip) sind Warnschilder immer wieder eine Quelle der Verwunderung. Ihr kennt sicher die Schilder an Bahnhöfen oder in der Nähe von Strommasten, auf denen steht „Leitungen nicht berühren! Lebensgefahr!“ Öhm, wie jetzt? Man muss aufpassen, die Leitungen nicht zu berühren, weil man sonst Gefahr läuft, lebendig zu werden? Das ist ja schon noch verständlich. Das Leben ist gefährlich. Bekanntlich hat es noch niemand überlebt. Nehmt euch auch – gerade wenn die Schule anfängt –  vor den netten Plakaten „Achtung: Kinder!“ in Acht!

Ich werde jetzt ‹ein wenig› ausholen (nicht, dass das jetzt etwas wahnsinnig Neues wäre). Holt das Popcorn aus der Mikrowelle, lehnt euch zurück und lasst euch überraschen…

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The Secret of Monkey Island – Box

Erinnert sich hier noch jemand an Monkey Island?

(NEEEEINN!) Ich schätze mal, da ich den Grossteil von euch über Jahre hinweg damit genervt habe, ist die Möglichkeit durchaus gegeben. Hiermit entschuldige ich mich jetzt mal offiziell dafür. Ich kann mir vorstellen (tu es aber lieber nicht, weil ich mich sonst schäme), wie unglaublich mühsam das gewesen sein muss. Meine fanatischen Konvertierungsversuche nahmen glaube ich ein Ausmass an, das nicht mehr moralisch vertretbar ist. Also die Welt kann froh sein, dass ich keiner Religion angehöre. Wenn ich nicht so selbstkritisch wäre, gäbe ich bestimmt einen extrem guten Faschisten oder Sektenführer ab!

Das Kopftuch und sonstige ‹piratige› Accessoires habe ich dann glaube ich seit dem 4. Gymi endgültig im Schrank verstaut, aber ich erinnere mich noch daran, wie wir im Bildnerischen Gestalten ein Schmuckstück herstellen mussten und ich ein Tentakel aus Schaumgummi und Wachs produziert habe. Dafür habe ich damals sogar eine ziemlich gute Note kassiert, da Herr Giraffer  „so etwas hässliches zu machen, aus so grusigen Materialien, das ist schon irgendwie faszinierend!“ es offensichtlich als Kunst missverstand. Bis heute zieren mein Service-Portemonnaie neben Patent Ochsner und den Beatles eine Szene aus Monkey Island und ein grössenwahnsinniges Tentakel. Aber das ist ja nur die Spitze des Eisberges!

In den Zeiten, in denen man noch nicht gleichzeitig telefonieren und im Internet surfen (was sauteuer war) konnte, entdeckte ich erstmal die faszinierende Welt des World Wide Web. Begeistert war ich vor allem von all den Informationen, nach denen eigentlich nie jemand gefragt hatte. Natürlich kam es, wie es kommen musste und irgendwann hatte ich die verhängnisvolle Idee mal nach „Monkey Island“ zu suchen (damals noch mit yahoo!). Ich weiss nicht genau, womit man das vergleichen könnte, damit das Ganze auch von einem ’normalen› Menschen nachvollzogen werden kann. Vielleicht könnte man sagen, Monkey Island symbolisierte für mich, was für ’normale› Teenager BigBrother, die Backstreetboys, GC oder Leonardo DiCaprio während der Pubertät bedeuteten. Zumindest war ich absolut verrückt danach und hätte mir bei einem Konzert die Seele aus dem Leib geschrien.

Das Faszinierende am Internet war jetzt aber, dass ich offensichtlich nicht die Einzige war, der eine – oder auch mehrere – Tassen im Schrank fehlten. Nein, da gab es ganze Homepages, sogar einen Chat und ein Forum, welche(r) sich mit Adventures wie Monkey Island beschäftigten. Kurz: eine ganze Community, die scheinbar genau so irre war, wie ich. Ich war hin- und weg, währenddessen die Tastatur unseres Computers  deutlich unter dem ganzen Gesabber litt. Nervtötend und fanatisch begeistert, wie es wohl nur pubertäre Teenager sein können, musste ich natürlich zu allem meine Meinung oder meinen Kommentar hinzufügen, wobei es bei mir immer auf das Gleiche hinauslief: „Monkey Island ist das beste Spiel auf der Welt!!!“ (ich erspare euch jetzt die anderen gefühlten 180 Ausrufezeichen) „Wer etwas anderes sagt, ist dumm!“, „Ich weiss zwar nicht, was ich schreiben soll, aber dann schreibe ich halt das!“ Wie irgendwer meine Ausbrüche ertragen konnte – und selbst wenn sie nur ’schriftlich› waren – ist mir bis heute ein Rätsel. (Und ja – man kann sich fragen, ob sich an diesen merkwürdigen Angewohnheiten meiner Person seither irgendetwas geändert hat. Auf die Antwort bin ich jetzt nicht so besonders scharf, da ich sie mir bereits denken kann.)

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Oooohhhh! Das uralte, nostalgische Design… *hachja seufz*

Ob es daran lag, dass die Community nicht allzugross war (man stelle sich ein Dorf vor, wo so ziemlich jeder jeden kennt) oder dass ich nach zwei Monaten bereits mehr Stunden im Chat und Forum verbracht hatte, als zwei Drittel der anderen Benutzer zusammen – irgendwann gab es Leute, die sogar nerviger waren als ich, so dass ich erst zum ‹Super User› und später sogar zum ‹VIP› aufstieg. Und ja, denkt euch bitte das belustigte Zwinkern dazu.

Bisher habe ich es auch in Bewerbungsgesprächen, auf die Frage nach meinen Führungsqualitäten, vermieden, auf meine herausragende Stellung im Internet hinzuweisen. Meine Aufgabe war zwar „für Ruhe und Ordnung in einer Gemeinschaft“ zu sorgen, aber wenn man das Wörtchen „virtuell“ voranstellt, kommt es wahrscheinlich nicht so gut an (bei den Görlls). Das klingt dann eher nach dem introvertiertem Teenager mit psychischen Störungen, der 302 Stunden, 12 Minuten und 47 Sekunden in einem Chat verbracht und die diensthabenden Administratoren mit Schokolade bestochen hat [wobei derjenige, von dem hier noch die Rede sein wird, mich mehrfach darauf hingewiesen hat, dass er nie Schokolade von mir bekommen hat und sowieso unbestechlich war. Da es ihm so wichtig scheint, war ich mal so nett das noch hinzuzufügen, obwohl es den Lesefluss empfindlich stört], als nach würdiger und verlässlicher Respektsperson. Wenn ich dann noch anfüge, dass ich meinen ersten Kuss (mit einem Jungen, der das äusserst verführerische Pseudonym „Affenhirn“ sein eigen nannte) Monkey Island verdanke, warten die Männer mit den lustigen Jacken vermutlich schon vor der Tür auf mich.

Heutzutage würde man das vielleicht Nerd nennen – oder Facebooksüchtig oder sowas. Ich war halt ein wenig frühreif. Vielleicht auch daher meine Reserviertheit gegenüber Facebook. Ich hatte meinen Anteil an Networking im Internet. Und ich hatte mehr als genug davon. Die sozialen Dramen, die sich da abgespielt haben waren mein Ersatz für Gute Zeiten, Schlechte Zeiten und Konsorten. Und ja, ich mache wahrscheinlich schon irgendwann wieder ein Profil bei Facebook, vielleicht sogar in ein paar Tagen, vielleicht auch nicht, immer mit der Ruhe. Ihr habt ja meine E-MailAdresse, meine (jetzt richtige) Telefonnummer und meine Postanschrift, also ich glaube, ich bin auch ohne Facebook nicht wirklich so ‹unerreichbar› und von der Welt abgeschnitten, wie manche das Gefühl zu haben scheinen.

Also in dieser dorfähnlichen Community (wir hatten sogar eine Galerie; mein vierjähriges Ich wird wohl bis Ende aller Tage als Spiegelei verkleidet durchs Netz geistern) kannte wie gesagt jeder, der irgendwie mehr als zweimal da war, jeden. Manche kannten sich auch persönlich untereinander, was auf mich nicht zutraf (es war eine fast vollständig deutsche Community, wobei die meisten auch ein wenig älter und männlicher als ich waren). Trotzdem, Adressen hatte ich auch mit einigen ausgetauscht und Briefe schreibe ich ja bis heute ganz gerne.

Mit Thomas (einem Administrator) wollte ich mich sogar einmal treffen (der Zusammenhang entfällt mir im Nachhinein, da ich ihn glaube ich die meiste Zeit über ein ziemliches Arschloch fand, was wohl auf Gegenseitigkeit beruhte), aber ich sagte ihm dann, als er schon auf dem Weg war, wieder ab. Ich weiss nicht, ob Christoph sich noch daran erinnert, er fand das damals gar nicht lustig – und mich hat es dann wohl auch nicht genug gestört, um das Ganze durchzustieren. Dann gabs zum Beispiel auch noch monkey der in Frankreich sein Abi gemacht hatte (mit Note 1,2 wenn ich mich recht erinnere), mit dem ich mich recht häufig ‹unterhielt›. Ich erinnere mich auch noch an jane, deren Mutter mir mal einen Pulli gestrickt hat (das war der farbige, falls ihr euch daran noch erinnert…) Naja, und noch viele andere.

Gut, du bist offenbar ein Nerd. Warum erzählst Du mir jetzt den ganzen Müll?

Aha, danke, dass Du fragst. Jetzt wäre ich schon beinahe wieder abgeschweift (mal wieder…!).

So. „The Escape from Monkey Island“, der vierte und bislang letzte Teil der Serie erschien im Jahr 2000. Danach gab es lange nichts, so lange, dass eigentlich niemand mehr an eine Fortsetzung glaubte. Irgendwann hat man selbst als eingefleischter Fanatiker nicht mehr gross etwas zu berichten, was gesagt werden kann, wurde schon hundertfach gesagt, die Sache läuft sich tot, man hat zu tun, richtige Freunde, vergisst…

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Eine wunderbare Zusammenfassung ist dieser Film von Majus!:-)

Bis mir vor ein paar Wochen Angie – eine, die jeden Freitagnachmittag während einiger Jahre meine Eskapaden über Piraten, Affen und Pixel über sich ergehen lassen musste – erzählte, dass sie in der Zeitung gelesen hätte, dass es nicht nur ein Remake von „The Secret of Monkey Island“ (dem ersten Teil), sondern auch eine Fortsetzung als Serien-Adventure gäbe. Da habe ich mir dann – purem Instinkt folgend – die Seite von Thomas angesehen und mich von der Tatsache überzeugt. Von Nostalgie übermannt (das Design sieht immer noch genau gleich aus wie vor 6 Jahren!) konnte ich mir einen Gästebucheintrag nicht verkneifen. Tja – und so führte eins zum anderen. Eigentlich ist es eine Reihe von merkwürdigen Zufällen.

Zufälligerweise wurde ich wieder auf das Spiel aufmerksam. Dann hinterliess ich eine sentimentale Nachricht im Stile von ’schön, dass es euch noch gibt›, worauf ein ähnlich gepolter Kommentar folgte (von dem ich später erfahren sollte, dass er nicht persönlich an mich gerichtet gewesen war, sondern so ziemlich an jeden gegangen wäre). Aus einem Gefühl sentimentaler Wehmut heraus beschloss ich dann, meine ätzend lange Massenmail an die zwei Adressen, die ich gerade auftreiben konnte (Thomas und monkey) zu senden, einfach so, um mal zu sehen, was passiert. Lustigerweise antworten mir gleich beide.

Die überraschende Erkenntnis folgte dann postwendend in monkey’s Mail. [Hier folgt nun der Grund dieses ganzen Exkurses über Monkey Island und Co, falls ihr euch schon gefragt habt, wieso ich dieses ausführliche Seelenstriptease abziehe und das Ganze nicht schön brav für mich behalte, wie sich das für peinliche pubertäre Angewohnheiten gehört.] monkey: „Jedenfalls bist du in Bordeaux! Wow! Diese Stadt, in der ich einen Grossteil meines Lebens verbracht habe!“ Vielleicht findet ihr das jetzt nicht so wahnsinnig berauschend. Aber mir blieb echt der Mund offen stehen, als ich das las. Hatte ich mir doch schon die Nächte um die Ohren gehauen und mich gefragt, weshalb ich immer nach Bordeaux wollte. Und wirklich erklären konnte ich es ja nie. Meine Referenzen auf mein Bauchgefühl oder „einfach so“ überzeugten weder mich noch euch. Hui, also ich bin immer noch völlig überrascht vom Lauf der Dinge! Die Erklärung passt aber irgendwie zu gut. Ich wusste schon noch, dass er immer sehr begeistert von Frankreich erzählt hatte, aber dass es Bordeaux war hätte ich jetzt nie vermutet. Nie im Leben. Ich kann es eigentlich immer noch nicht so richtig glauben, aber ich denke, dass es sich irgendwie so abgespielt hat, dass mein Unterbewusstsein diese Informationen über Bordeaux gespeichert und in Form eins undefinierbaren Wunsches, dort meinen Erasmus-Aufenhalt zu verbringen, ausgespuckt hat. Das ist natürlich wissenschaftlich nicht geprüft und eigens auf meiner Interpretation basierend.

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Piratenstiefel, Steuerrad und Degen!

Die Psychologiestudentinnen unter euch können mir ja dann immer noch erklären, dass das Ganze nicht so einfach ist, wie ich es mir jetzt gerade vorstelle. Ich finde das ganze zwar vollkommen irreal und absolut unglaublich, aber irgendwie auch sehr amüsant.  Da hocke ich als vier- oder fünfjähriger Knirps mit meinen Geschwistern vor dem PC [„The Secret of Monkey Island“ war damals übrigens ein Geschenk von Götti Christian, welches eigentlich an meinen Vater adressiert war, um ihm die Arbeit am Computer schmackhaft zu machen. Wir Kinder waren von diesem tollen neuen Spiel(zeug) in dem Masse begeistert in dem es von unserem Vater ignoriert wurde, der bis heute einen Sicherheitsabstand von mindestens zwei Metern zu jedem Computer einhält.] und balge mich mit ihnen wie wild um die Maus und lande deswegen fast zwanzig Jahre später in Bordeaux. Wenn das nicht verrückt ist…!

Aber es kommt fast noch besser. Falls ihr euch noch erinnert, ich schrieb in der ersten Mail: «Wegen Streiks fängt das Semester nämlich erst im Oktober an, also dümple ich hier noch ziemlich lange ohne rum ohne wirklich etwas zu tun zu haben. Auch lustig. Das heisst, falls ihr Lust und Zeit habt ne Runde nach Bordeaux zu fahren, ihr seid herzlich willkommen.“ Nicht nur Angie und Beat nahmen mich beim Wort, sondern auch Thomas, der fand, er habe im September eine Woche Zeit und komme mich besuchen. Auch hier spielt der Zufall wieder mal eine grosse Rolle, da die vorangegangene Aufforderung ja eigentlich gar nicht für ihn bestimmt gewesen war. Daraus habe ich dann die Lehre gezogen, dass man Mails nochmal durchliest, bevor man sie weiterleitet…

Zwischen Thomas› spontanen Entscheidung und seiner Ankunft gingen dann doch noch ein gutes Dutzend Mails (und ein etwas missglückter Telefonanruf – über meine Unfähigkeit, ein Telefon zu benutzen seid ihr ja bestens informiert…) hin- und her. Am Schluss war dann seine Neugier doch grösser, als die Befürchtungen, die bei ihm meine zweite Massenmail mit Unterteilung in verschiedene Kapitel ausgelöst hatten, ausserdem war der Flug (30 Euro ab Basel! UNGLAUBLICH! Ich habe über 200 Franken für den Zug bezahlt!) sowieso schon gebucht, also gab es kein Zurück. Da Thomas seinerseits kurz vor seiner Ankunft in einem Mail die Hoffnung geäussert hatte, dass ich weder „lol“ noch „rofl“ laut ausspreche, hatte auch ich meine Bedenken, worauf oder besser auf wen ich mich da eingelassen hatte.

Damit wir wenigstens auf irgendwelche dämlichen Erkennungszeichen verzichten konnten, habe ich mein altes Piratendress wieder ausgepackt. Naja, den Hut musste ich erst noch kaufen und schwarz anmalen und wenn ich schon dabei war, besorgte ich mir auch noch gleich ein Plastikschwert. Es gab auch einen Haken dazu, aber irgendwo wird das Ganze dann doch ein wenig lächerlich. A propos lächerlich: Da ich ja eigentlich nie mit Hut rumlaufe und daher nicht daran gewöhnt bin, dass mein Kopf derartig vergrössert ist, habe ich ihn (WIEDER EINMAL!) am Bus angeschlagen. Das löste natürlich bei den Leuten an der Bushaltestelle eine gewisse Erheiterung aus – wobei mein eher unkonventionelles Outfit ohnehin schon für genug Aufmerksamkeit sorgte. Aber zumindest haben wir uns tatsächlich sofort erkannt – hey, das ist immerhin etwas!

Ich war irgendwo schon überrascht, dass er tatsächlich auftauchte. Da ich ihn (na gut, es ist bereits mehrere Jahre her, aber trotzdem) versetzt hatte, hätte ich mir auch gut vorstellen können, dass ich am Flughafen warte, bis ich schwarz werde. Hätte ich zumindest umgekehrt vermutlich so gemacht. Ich hatte mich zwar damals entschuldigt, aber wenn ich mir den Brief ansehe, den ich ihm damals geschrieben habe, frage ich mich, woher ER eigentlich das Arschloch-Image hatte. Der Anfang meines Entschuldigungsbriefes auf astreinem, violetten Diddl-Papier (nach der Begrüssung: Hi Thomas!) lautete nämlich: „Tschuldigung. 1. wegen dem hässlichen Papier hier (das Gute war mir zu schade)…“ Da muss ich schon ziemlich schmunzeln. Ich glaube, sowas schaffe einfach nur ich. Ich wünschte, ich könnte jetzt sagen, dass ich heute ein anderer Mensch bin. Aber nein, das wäre schlicht und einfach gelogen. Auch der Rest des Briefes – ich erkenne mich wieder und habe das Gefühl, kaum einen Tag älter zu sein – ist voll mit idiotischen Informationen über Monkey Island Komplettlösungen, die Länge des Briefes, den Wunsch nicht auf einer 3 in Mathe sitzenzubleiben (das waren noch Zeiten! Am Schluss habe ich ja sogar um die 2,5 gekämpft!) und der Frage, ob ich jetzt noch ein Crèpe essen soll, obwohl mir sowieso schon schlecht ist.

Ich weiss nicht, ob ich jetzt einfach einen extremen Flashback wegen der ganzen Geschichte habe, oder ob ich tatsächlich immer noch genauso idiotisch bin, wie damals. Vermutlich liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen.

Auf jeden Fall haben wir uns erstaunlich gut verstanden, obwohl ich glaube ich, wider Erwarten, das grössere Arschloch-Potential habe. Sehr sympathisch fand ich es ausserdem, dass ich, da Thomas in der Nähe der Grenze wohnt, nichtmal Hochdeutsch sprechen musste (als ich es einmal versuchte, bat er mich beinahe auf Knien, wieder damit aufzuhören). Wir sind zwar auf eine Art sehr verschieden, aber trotzdem haben wir eine relativ ähnliche Ausdrucksweise – und das Achtung: Ironie!-Schild, dass ich ihm als Begrüssungsgeschenk in die Hand gedrückt habe, hatten wir dann doch nicht nötig (abgesehen von einem Missverständnis betreffend getrockneter Bananen). Am ersten Abend sind wir zusammen eine Pizza essen gegangen, weil ich den ganzen Tag vor lauter mich verkleiden und nervös sein nichts gegessen hatte (was ja mal was heissen will!). Besonders toll ist die Glasflasche (vermutlich ehemals eine Art Blumenvase), die mir das Restaurant auf meine Nachfrage freundlicherweise überlassen hat. Ich weiss nicht, ob sie Angst hatten, dass ich sie mit meinem Plastikschwert aufschlitze, wenn sie mir den Wunsch verweigern, oder sie hofften, mich dadurch ein für alle Mal loszuwerden, auf jeden Fall habe ich jetzt eine schöne ‹caraffe› zu Hause. Sehr stilvoll. Passt gut zu meinem Holzsteuerrad, dass ich mit Beat erstanden habe.

Sowieso habe ich mein Heim jetzt ein wenig dekoriert, wobei mir Thomas ebenso behilflich war. An meinen Wänden hängen jetzt Werbeplakate einer Bäckerei. Der Titel lautet „Tout le monde est Cookie“ und es hat eine Weltkarte mit Cookies drauf! So geil!:) Das MUSSTE ich natürlich haben! Ich hatte mir bereits überlegt, ob ich es wohl stehlen könnte, weil mir die Verkäuferin das Plakat partout nicht überlassen wollte. Aber zum Glück gehört die Bäckerei einer Kette an und ich habe es an einer anderen Verkaufsstelle versucht und dann sogar drei! Plakate bekommen!

Thomas hatte ein Navigationsgerät (das ich immer noch mit mehr Ehrfurcht als Vertrauen betrachte) dabei, was uns mehrfach den Weg von und zu meiner Wohnung erleichtert hat. Jetzt bin ich wieder auf meine Karte und die lustigen Hinweise von Passanten angewiesen (ihr glaubt gar nicht, wie lange ich gebraucht habe, um zu verstehen, was mit ‹feu rouge› gemeint ist…). Grossartige Pläne hatten wir eigentlich nicht, einer war ins Schwimmbad, der zweite Eis essen zu gehen. Und nicht mal das haben wir wirklich geschafft, woran ich nicht ganz unschuldig bin. Meistens begannen die Tage zwischen elf und ein Uhr, wenn ich mich endlich zum Aufstehen zwingen konnte. Dann gab es erstmal lecker Frühstück mit jede Menge Käse, Nüssen und Trauben. Im Gedenken an monkey haben wir auch regelmässig Tee getrunken – und einmal sogar das Remake von „The Secret of Monkey Island“ gespielt. Zum Glück gab’s da noch irgendwo eine Komplettlösung auf einer gewissen Internetseite, ansonsten sässen wir wahrscheinlich jetzt noch daran, was ziemlich traurig ist, da wir das Spiel ja eigentlich in- und auswendig kennen. Wir sind stundenlang durch Bordeaux getingelt mit Aufgaben wie: Glühbirnen kaufen (ja, mit mir kann das schon eine Weile dauern!) oder: Fluss anschauen, sowie monkey’s Haus mit dem Navi suchen und nicht finden. Einmal sind wir sogar zufälligerweise an dem netten Herrn von meiner Bank in seinem Freizeitdress vorbeigegangen. Das war schon ganz lustig, obwohl wir eigentlich nichts gemacht haben, hatten wir unseren Spass.

Haus
monkeys Haus – schlussendlich haben wir’s doch gefunden!

Eines schönen Abends beschloss ich, aus welchen Gründen auch immer, eine Flasche Tequila zu trinken. Nunja, ich habe nicht die ganze getrunken. Aber sicher drei Viertel. Ein Glas hätte ja vermutlich schon ausgereicht, um mich in eine Alkoholleiche zu verwandeln. Jérémy war auch zwischenzeitlich da, ging aber zum Glück, bevor es ganz schlimm wurde. Ich trinke ja nicht häufig, und ich würde sagen, ich habe inklusive an jenem Abend, nur zweimal wirklich ZU viel getrunken. Das endete auch dieses Mal damit, dass ich ohne Kleider in einer Dusche landete, nachdem ich zuvor das Badezimmer mit den Überresten meines Abendessens dekoriert hatte.

Zumindest war es dieses Mal bei mir zu Hause, also mache ich auch in dieser Hinsicht Fortschritte. Minuspunkte gab es allerdings dafür, dass ich mir die Nase bei genauerer Betrachtung der Kloschüssel aufschlug und beim Ausrutschen nach der Dusche die Aufhängestange für die Badetücher heruntergerissen habe. Wobei ich es Thomas hoch anrechne, dass er (ausgerüstet mit einer, wie mir scheint, professionellen Kamera) keine Bilder davon machte, wie ich splitterfasernackt mein Bad putzte, darauf bestehend „es verdient“ zu haben. (Aber sonst gibt es ein paar ganz goldige Bilder. Besonders gut gefällt mir ein Schnappschuss vom ‹Morgen danach›, der geradezu danach schreit, als A3 Poster bei mir im Zimmer zu hängen.)

Allerdings habe ich dank ihm mein Repertoire an Sprüchen, die ich nicht hören will (vor allem nicht von einem Mann!) erweitert.

 

Zu:
„Du bisch nöd dick. Du bisch … rund.“

„Mir händ jetzt so grob gschetzt, also nu ungefähr, vier Wuche, zwei Täg, drüevierzg Minute und acht Sekunde kei Sex meh gha.“

„Don’t be sorry. At least we didn’t have sex!“

„Ich dachte über Dich: Sie ist nett, aber fett!“

„Du häsch ja en Schnauz!“

„Kondom? Nöö, ich ziehnen dänk amig vorher use. Das isch im Fall ä mega sicheri Verhüetigsmethode!“

„I jerked off thinking of you the last couple of days.“

kommt neu (nachdem er mein Piratenkleid anprobiert hatte und feststellte, dass er hineinpasste): „Wow, da passt DU rein? Ich habe mich Dich viel breiter vorgestellt.“

Danach folgte eine, für ihn vermutlich nervtötende und für mich essentielle Diskussion über das Wort ‹breiter›, wobei ich es als Beleidigung auffasste, währenddessen er darauf bestand, dass ich ja nur breiter aussähe, als ich sei, also sei das schon fast ein Kompliment, da ich weniger breit sei, als ich aussehe. Wirklich dankbar bin ich auch für den unvergesslichen, mich nach wie vor erheiternden Ausspruch: „Ich glaube deine Nippel haben so eine komische Farbe. Kann ich mal sehen?“ Und bevor ihr fragt: Nein, da ist nichts gelaufen. Auch wenn der Thomas ausgesprochen schöne, feminine Füsse hat.

Nach einer Woche hatten wir dann aber doch ein wenig genug voneinander. Eine Ein-ZimmerWohnung und 24-Stunden-Assistance ist weder sein, noch mein Ding. So war es wohl kein Zufall, dass auf meinem MP3-Player auf der Rückreise vom Flughafen Ton Steine Scherben „Hau ab!“ in Endlosschlaufe lief (wobei es hier nur um den Titel und nicht um den eigentlichen Inhalt geht). Ein paar Tage später vermisse ich aber schon wieder einen männlichen Begleiter an meiner Seite, den ganzen ‹Mademoiselle›-Kram hatte ich dank ihm schon vergessen gehabt. Wie ich in Zukunft meine Glühbirnen wechseln, die Batterien ohne Hilfe aufladen, meine Dusche reparieren oder wer mir den ganzen Mist auf meinem Laptop, den ich nicht verstehe, erklären soll, ist mir schleierhaft. Kurzum: Würde das nochmal machen! Und selbst wenn es nur darum ginge, noch einmal einen Schal um meinen Kopf  zu binden und so zu tun, als wäre ich zwölf, maximal vierzehn Jahre alt. Arrrrgh!

barmaid
Hmmnaja… ich glaube, das Word «Barmaid» hat mir ganz einfach den Kopf verdreht.

Ich wollte mir ja mal noch eine Arbeit suchen. Eigentlich hat sie fast eher mich gefunden, als umgekehrt. Eines Tages bin ich so an einer australischen Bar vorbeispaziert. Da hing im Fenster ein Schild ‹Nous cherchons barmaid expériencée›. Das brachte mich dann ein wenig in Verlegenheit. Einerseits hatte ich eigentlich vor, in einem so richtig französischen Bistrot zu arbeiten – andererseits ‹Barmaid› – was für ein geiles Wort! Hinzu kommt, dass der Laden „Byron Bay“ heisst – und im ‹richtigen› Byron Bay habe ich ja vor ziemlich genau drei Jahren Job kennengelernt [den ich übrigens vor Kurzem in Mimizan (in der Nähe von Bordeaux) getroffen habe, über den öffentlichen Verkehr in Frankreich lasse ich mich jetzt aber mal nicht aus… nur so viel: es war extrem mühsam!], was so ziemlich das Beste (in Australien) war, das mir passieren konnte. Man könnte es also durchaus als Wink des Schicksals betrachten, was ich auch gemacht habe.

‹Barmaid expériencée› ähm, nicht, dass ich je wirklich hinter einer Bar gearbeitet hätte (obwohl ich es immer gerne lernen wollte). Aber ich habe sicher schon zweimal einen Caipirinha gemacht und mindestens einmal bei der Herstellung eines Hurricane zugesehen – ausserdem hatte ich was mit einem Barkeeper. Meine eigentümliche Schwäche für Männer, die beruflich mit Alkohol jonglieren ist ja bereits allgemein bekannt und immer mal wieder Ursache allgemeiner Erheiterung an einschlägigen Anlässen, righty right? Das macht doch sicher mindestens zwei-drei Jahre Berufserfahrung gut, oder? Nach kurzer Erwägung meiner Ressourcen bin ich jedenfalls hineinspaziert und habe den Typen hinter der Bar (der mir übrigens sehr sympathisch war und … Achtung!, jetzt kommts: Nico heisst…) gefragt, ob sie schon jemanden gefunden hätten. Hatten sie nicht und ich wurde aufgefordert meinen CV vorbeizubringen (den ich zuerst schreiben und dann noch irgendwo ausdrucken musste. Auch eine kleine Odyssee, die ich euch jetzt aber erspare.).  Ich hatte dann eine Art Bewerbungsgespräch mit dem Chef und dem Typen hinter der Bar, wobei sie sich von meiner nichtvorhandenen Erfahrung an der Bar sowie den mangelnden Französischkenntnissen überzeugen konnten.

Trotzdem wurde ich zu einem Probetag eingeladen und als sie mich dann für den nächsten Freitag wiederum zum Arbeiten eintrugen (was ich dann als ‹Du hast den Job› interpretierte) konnte ich es natürlich nicht lassen, mich danach zu erkundigen, ob sie eigentlich auch noch andere Bewerbungen bekommen hätten. Die Frage kam dann glaube ich nicht so gut an und mir wurde ein ganzer Stapel Blätter unter die Nase gehalten. Worauf ich vermutlich noch etwas dümmer aus der Wäsche schaute. Wenn man eine ganze Liste an Leuten hat, von denen man auswählen kann… Wieso sollte sich irgendwer, der noch bei Trost ist, ausgerechnet für mich entscheiden? An meiner Nullerfahrung hinter der Bar sowie an den nicht vorhandenen Sprachkenntnissen kann es ja kaum liegen… Beim Abfassen meines CVs hatte ich mit dem Gedanken gespielt, den quietschorangenen Arbeitgeber in meinem Lebenslauf, geflissentlich zu übergehen. Der einzige Grund, weshalb ich es dann doch mitreinpackte war eigentlich, dass ich annahm, der Laden sei hier unbekannt und zwei Jahre Berufserfahrung sich dann doch besser machte, als drei Monate. Falsch gedacht. Und zwar doppelt. Erstens war die amerikanische Kette mit den lustigen Eulen als Logo dem Chef ein Begriff und zweitens schien gerade die Tatsache, dass ich da gearbeitet hatte, ihn von meiner Person zu überzeugen. Ihr könnt euch meinen ungläubigen Gesichtsausdruck (den ich immer noch mit mir herumtrage) ungefähr vorstellen, aber: „Nous pensons, que tu as ce qu’il faut pour survivre ici!“

byronbay
Byron Bay by night.

Die Hotpants-Geschichte werde ich wohl nie mehr los. (Und bevor ich jetzt wegen Rufmordes oder so etwas verklagt werde: Ihr wisst selbst am besten, dass ich den Schuppen nach einer gewissen Anlaufszeit abgöttisch geliebt habe und vermutlich bis ans Ende meiner Tage mit mehr oder weniger breitem Grinsen im Gesicht Curly Fries und Chicken Wings (wobei die im Outback immer noch besser sind!) servieren würde, wenn es die Umstände erlaubt hätten, respektive ich mir mal die komplizierte Choreographie von „Bunny Hop“ und Co hätte merken können…). Nebenbei bemerkt sieht es ganz so aus, als käme ich nie mehr aus den anglo-amerikanischen Betrieben heraus.

Bisher habe ich erst dreimal gearbeitet (ich habe eine Probezeit von zwei Monaten, erst danach wird entschieden, ob ich bleiben kann). Es ist ziemlich anspruchsvoll, da ich die Gäste (sowie meine neuen Teammitglieder) meistens nicht verstehe. Wenn ich Glück habe, muss ich nur zweimal nachfragen, was die Bestellung genau war. Einerseits hat das sicher mit der Sprache zu tun, darüber hinaus ist es auch akkustisch ein Problem (gewisse von euch haben ja schon früher Bedenken geäussert, dass ich halbwegs taub sei.), da es sehr laut ist, was dem gegenseitigen Verständnis auch nicht gerade entgegenkommt. Das sind noch andere Zustände hier als ich sie mir gewöhnt war…

Hinzu kommt, dass mir viele Dinge völlig unbekannt sind. Dass ich – wie bereits erwähnt – nicht gerade viel Erfahrung mit Alkohol habe (weder mit Trinken noch mit Zubereiten und Servieren), macht die Aufgabe auch nicht gerade einfacher. Besonders wenn man die französischen Trinkgewohnheiten studiert. Panaché respektive Henache kriege ich gerade noch hin, aber das war dann auch schon das Exotischste, was in Zürich an Bier je über die Theke geht. Hier hingegen schütte ich in jedes zweite Bier Sirup (Erdbeere, Grenadine und Pfirsich sind am beliebtesten) und wenn es ganz schlimm kommt auch noch Cola oder Limonade. Da bestellt jemand einen ‹Diavolo Fraise› und weil ich nicht die geringste Ahnung habe, was das ist und einen teuflisch komplizierten Cocktail vermute, bitte ich meine Arbeitskollegin (die übrigens mit der amtierenden Miss Bordeaux liiert ist), mir mal eben zu zeigen, wie man das macht. Es stellt sich heraus, dass ‹Diavolo Fraise› Erdbeersirup mit Limonade ist. Kein Wunder, dass die Leute denken, ich wäre nicht besonders helle, wenn ich sogar für die Herstellung von sowas Hilfe brauche.

Mich selbst in den Schutz nehmend sage ich mir auch, dass ich erstmal den Kulturschock überwinden und mich an französische Verhältnisse gewöhnen muss. (Ego streicheln kommt immer mal wieder gut. Man könnte es auch billige Ausrede nennen, aber lassen wir das.) Zum Beispiel werfen wir hier die Zitronenstücke mit den Händen in die Getränke. Nicht, dass ich das vorher noch nie gemacht hätte, zum Beispiel wenn die Zange nicht zu finden war oder gerade niemand hingeschaut hat und es halt ein bisschen schnell gehen musste. Aber hier gibt es nichtmal eine Zange. Was mich irgendwo sehr belustigt, da man nicht einmal so tut, als würde man irgendwelche Hygienevorschriften einhalten. Vielleicht gibt es auch keine, oder es liegt daran, dass der Grossteil unserer Kundschaft aus Studenten besteht, die das wohl nicht interessiert. (Andererseits würde ich jetzt meine vorangehenden Arbeitsorte in der Schweiz auch nicht gerade in die ‹haute cuisine› einreihen… Wenn auch nicht gerade sehr billig, was den Preis betrifft.)

Wir haben auch riesige Glasbehälter, bei denen ich den Verdacht hege, dass das ursprünglich Schüsseln waren, damit das Personal seine Hände während der Arbeitszeit waschen konnte, bis jemand auf die durchaus lukrative Idee gekommen ist, das Ganze als Punsch zu verkaufen. Geschnitten habe ich mich selbstverständlich auch schon (dafür noch kein einziges Glas kaputt gemacht). Verbandszeug ist auch nirgends zu finden (und wenn würde es sicher nach zwei Minuten in der Punschschüssel schwimmen). [Na gut, da gibts ja auch in der Schweiz Restaurants (habe ich mal irgendwo gehört *hust*), die in der Notapotheke nichts ausser Lutschtabletten und Fotokleber stehen haben. Ja, wir haben’s erfunden und darauf können wir Schweizer auch sehr stolz sein, aber manchmal wäre ein Aspirin dann doch besser als Ricola-Kräuterzucker und im Gegensatz zu TesaPowerstrips sind Pflaster dazu gemacht, auf Wunden geklebt zu werden und halten daher vermutlich auch besser.] Den Lohn hier kannst Du eigentlich auch vergessen, ich glaube, ich verdiene so umgerechnet 12 Franken die Stunde und Trinkgeld gibts gar keines. Trotzdem – ich liebe den Job! Ich verstehe nichtmal die Hälfte, schütte Vodka statt Rum in den CubaLibre und kassiere sechs statt fünf Euro dafür ein.

Die haben hier alle einen an der Waffel, was ja jetzt auch nicht gerade etwas Neues ist. Darum fühle ich mich vermutlich auch so wohl in dem Business – es ist voll mit Verrückten. Amerikanische Mooters Girls, die ihre Lebensweisheiten („The smile is a part of your uniform!!!“), darunter auch das Geheimnis, wieviele Handbreiten unter dem Knie die siebeneinhalbmal gefalteten Socken aufhören müssen, weitergeben. Gefährliche, muslimische Terroristen, die ihren ‹fucking espresso› bei der nächstbesten ‹Blondineeeee› bestellen, nachdem sie festgestellt haben, dass im Poulet-Cordon-Bleu (was bis zu jenem Tag ihre Hauptmahlzeit darstellte) tatsächlich Schinken (von Schwein!?!!) enthalten ist. Der General Manager, der aus abgelaufenen Müllerbräuflaschen leckere Stangen zaubert oder eine Bieraktion startet und erst zu spät bemerkt, dass der neue Preis deutlich höher ist, als derjenige in der Karte. Der Chef, welcher eigentlich kubanischer Tierarzt ist, und dem, nachdem er einen Hamburger, der seit zwölf Monaten irgendwo in den Untiefen der Gefriertruhe vor sich hingammelte, aus dem Kältefach fischt, nichts besseres einfällt, als mit dem vorhandenen Personal ein Geburtstagsständchen anzustimmen. Habe ich bereits erwähnt, dass er – im Gegensatz zu mir – der Chef ist? Ein Punkt, auf dem er immer wieder bestanden hat aus Gründen, die sich bis heute meiner Kenntnis entziehen. Die Chinesin, die nach über dreissig Jahren auf dem Erdenrund schockiert ausruft: „Schau meine Hände! ICH BIN GELB!“ Der cholerische Eisbär, der damit droht, einem mit verbrannten Buschbrötchen ein grausames Ende zu bereiten, wenn man ihn um ein Schoggifondue (Es heisst Fondant! FonDANT! Du solltest jetzt gehen und qualvoll sterben!) bittet. Der bananophobe Oberkellner (liebevoll Kackfresse genannt), der gerne vom Personaltisch aufsteht, um ganz professionell auf die nicht so ganz ernstgemeinten Telefonanrufe seiner Teammitglieder zu reagieren… Those were the days…Hachja… Good Times. Gebt mir mehr davon! Bin jedenfalls gespannt darauf, was für lustige Charaktere sich hier herumtreiben und welche denkwürdigen Geschichten sich hier im ewigwährenden, epischen Kampf zwischen Personal und Kundschaft noch abspielen werden.

Ob ich das hier durchstehe, ist zwar noch fraglich. Ein Problem ist, dass ich nicht gerade die Schnellste bin. Ich stelle mir ja gerne vor, dass das daran liegt, dass ich alles sehr gründlich machen will. Halt ‹richtig›. Ist aber ziemlich schwierig, weil ich ja nicht weiss, was ich eigentlich machen soll, respektive wie. Also die meiste Zeit ist es ein reines Desaster. Sie haben mir auch gesagt, ich müsse viel schneller, lustiger, besser, genauer und noch jede Menge andere Adjektive, die ich aber nicht verstanden habe, werden. Fast noch wichtiger: „iiuu ‹ääf tuu bii crääiziii“ (Mensch, wenn die wüssten, dass ich ein eidgenössisch diplomierter Freak bin… aber übersetzt mal den ganzen Müll, den ich gerade euch erzählt habe auf Französisch!) „Mais nous esperons que ca va arriver!“ Na bei so wenig Erwartungsdruck auch gar kein Problem… Mal schauen wie sich das entwickelt. Interessanterweise bin ich nicht SO gestresst, wie ich es normalerweise wäre. (Trotzdem habe ich mir einen ‹Ausgiesser› und ein Shotglas zum Üben gekauft. Wie erbärmlich. Erstens bin ich verwirrt mit dem Zählen (einezwänzg, zweiezwänzg oder wie war das noch? Respektive un, deux, trois, quatre) und zweitens funktioniert mein Home-Equipment scheinbar ein wenig anders, als das in der Bar. Sollte das nicht alles gleich genormt sein?)  Kurz: ich würde natürlich gerne alles perfekt machen (am besten sofort!) und sicher sein, dass ich den Job auch behalten kann. Aber irgendwie… Wenn’s klappt, klappts und wenn nicht, dann eben nicht. Dann kann ich mir wenigstens standesgemäss einen Tequila einschenken – und wenn es dann fünfeinhalb statt 4cl werden, hilft es mir wahrscheinlich dafür nur noch besser über den Verlust hinweg.

Sonst kann ich berichten, dass meine Wohnung (und Bordeaux) noch steht. Selbst die lustigen schwarzen Viecher sind mir schon länger nicht mehr über den Weg gelaufen. Die Heizung funktioniert zwar nur halbtags und irgendwie ist die Aufhängung für den Duschkopf abgefallen, aber sonst kann ich mich nicht beklagen. Mit dem Ofen mache ich auch Fortschritte, auch wenn die Cookies noch nicht meinen Qualitätsansprüchen genügen. Ist vermutlich auch nicht gerecht dieses mikrowellenähnliche Teil mit dem Hightechgerät von zu Hause zu vergleichen, mit dem man die Innentemperatur des Soufflés per E-Mail abrufen konnte. Aber immerhin war das Feuer im Ofen ein einmaliger Unfall und so erfreue ich mich an selbstgemachter(n) Pizza, Lasagne, Aufläufen und Keksen. Von wegen Couscous!

backregal
Überall Guetzli 🙂

Huch – die Zeit geht so schnell vorbei! Morgen ist schon der 1. Oktober, da muss ich zum ersten Mal an die Uni um am ‹jour d’intégration› teilzunehmen. Ich freue mich eigentlich, aber irgendwie bin ich jetzt doch überrascht, dass es schon so bald ist. Da hätte es eigentlich noch dieses und jenes gegeben, das ich bevor der ganze Rummel losgeht noch erledigen wollte…  Zum Beispiel ein paar Vokabeln büffeln. Aber während sich ’normale› Studenten mit den unregelmässigen Verben herumschlagen und sich den besten Kurs heraussuchen, besteht meine Vorbereitung auf den Studiumsbeginn eigentlich nur darin, mir einen ‹maillot brésilien› verpassen zu lassen.

Da ich mich ja schon im Heimatland der professionellen Enthaarung befinde, wollte ich das einmal ausprobieren. Fazit: Durchzogen. Es gibt auch hier eine Reihe von Dingen, die ich lieber nicht hören würde. Dazu gehört „Vos poils sont très, très dur! Ca va faire plus mal.“ gefolgt von der Feststellung: „Mais Mademoiselle… vous transpirez énormement!“ Mein Körper hat sich ja schon immer gerne und äusserst erfolgreich gegen das Bild, dass sich mein Kopf von ihm gemacht hat, gewehrt. Der ewige Kampf gegen meine Körperbehaarung (wobei meine eher derjenigen eines jugendlichen Braunbären als derjenigen eines geschlechtsreifen Homo Sapiens gleicht) scheint aussichtslos. Nennt mich pessimistisch, aber wenn die neue, nette Dame im IPL-Studio einen nach der Behandlung anlächelt und sagt: „Keine Sorge, in Zukunft wird es weniger schmerzen. Das erste Mal ist immer am schlimmsten!“, obwohl man schon zum siebten Mal da war, ist irgendetwas verkehrt. Dass auf meiner Patientenakte, die ich zufälligerweise zu Gesicht bekam, unter Bemerkungen notiert war: ‹Achtung: Schreit wie am Spiess!› macht die Sache auch nicht gerade besser.

Tja, zumindest hoffe ich, dass das alles gut geht mit der Uni. Irgendwie vermisse ich schon fast mein ruhiges, gemütliches Leben bisher. Ich weiss zwar noch nicht, wie sich das in Zukunft abspielen wird, aber ich habe gewisse Vorahnungen. Wird sicher auch spassig. Heute bin mal mit dem Tram an die Uni gefahren (wobei mir gleich drei sympathische junge Herren ins Auge fielen und ich mir sagte, dass meine Vorbereitungen dann doch nicht so ganz verkehrt hatten sein können) und habe im Historischen Seminar vorbeigeschaut.

Die Frau vom Sekretariat hat mir dann ein paar Dinge erklärt (so in ganz, ganz langsamen, ungeheuer klar und perfekt artikulierten Französisch, wofür ich echt dankbar war, obwohl ich mir gleichzeitig vorkam, wie ein Grundschüler mit dem IQ einer halbierten Melone) und mir ein Vorlesungsverzeichnis in die Hand gedrückt. Da ich Erasmus-Studentin bin, kann ich alle Kurse des ‹licence› besuchen, vom ersten bis ins dritte Jahr. Gut zu wissen. Wie das genau funktioniert hatten bislang weder ich, noch mein Erasmus-Koordinator in Zürich herausfinden können. Aus irgendeinem Grund folgte, als ich das Sekretariat wieder verlassen hatte, ein durchaus emotionaler Moment. Mit einer Menge Papier in der Hand den Flur des Historischen Seminars der Université Michel de Montaigne entlangschauend brauchte ich erstmal zwei Minuten, um mich wieder zu sammeln. Als wäre ich frisch verliebt und hätte am nächsten Tag ein Date mit dem Mann, den ich schon seit Monaten nicht mehr aus dem Kopf kriege. Worauf natürlich sofort die ebenso bescheuerte wie unvermeidliche Frage folgte: Was zieh ich nur an? Das fängt ja schon bei der Unterwäsche an, (wobei es übrigens noch kein Slip mit integriertem Strapsenhalter in meinen Kleiderschrank geschafft hat) und hört bei der Auswahl der Haarspange auf. Und wenn ich schon dabei bin, nagle ich mir doch gleich mein auf Hochglanz poliertes, allerliebstes Feindbild vorne an die Stirne.

Was ich übrigens noch anmerken wollte, bevor ich hier dann doch nochmal zum Abschluss komme: Scheinbar verwechseln gewisse unter euch das Fehlen jeglichen gesunden Menschenverstandes in Alltagssituationen mit wirklich speziellen und aussergewöhnlichen Erlebnissen und Erfahrungen. Mal ehrlich: Ich schreibe darüber, wie ich wohne, koche, auf der Strasse herumlaufe, im Internet surfe und meinen Intimbereich enthaare. Auch wenn das Ganze in Frankreich stattfindet sähe vermutlich Steven Spielberg darin kein Potential für einen Kassenschlager. (Wobei [Achtung: Schleichwerbung!] Trigon-Film dabei sowieso die Exklusivrechte zukämen.)

Falls sich meine Mails in dem Ausmass weiterentwickeln, wie bisher, rechne ich so ungefähr im nächsten Juli mit 60seitigen Berichten über mein französwisses Leben (ja, auf die Wortkreation bin ich besonders stolz. Auch wenn sie möglicherweise vorher schon existierte, habe ich sie – ganz ricolamässig – für mich nochmal neu erfunden). Aber es besteht durchaus die Hoffnung, dass selbst ich irgendwann doch noch ein Einsehen habe. Darauf bauen würde ich allerdings nicht.

 

Tja, wie ihr seht, geht es mir ausgezeichnet. Auch mal was Anderes. Aber durchaus lustig, könnte mich glatt daran gewöhnen.

Bisous und drückt mir die Daumen für morgen!,

 

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To brie or not to brie – Abenteuer in Bordeaux Teil II

Le deuxième (Ap)part

Salut mes Poulets!

(Ich habe den Ausdruck in einem Frauenmagazin gelesen, habe es aber da eher als ‹Freund› (im Sinne von ‹petit ami› siehe unten…) interpretiert. Und Julien, ein Franzose, den ich in Australien kennengelernt hatte und vor ein paar Wochen besuchte, hat mir gesagt, dass er den Ausdruck auch für seine Kollegen verwendet. Ich bin also nicht wirklich sicher, was ‹poulet› jetzt genau bedeuten soll. Aber der Ausdruck hat sich in meine Gehirnwindungen eingebrannt, vermutlich weil er so lustig (und für mich irgendwie daneben) klingt! Also: )

Salut mes poulets!
Beim nochmaligen Durchlesen der folgenden Nachricht ist mir aufgefallen, dass sie wieder mal ziemlich lang ist. Vielleicht müsste ich mal Unterkapitel machen, dann könntet ihr die uninteressanten Teile einfach überspringen (Obwohl es die hier natürlich gar nicht gibt! Püh, ich und etwas Banales, gar Langweiliges schreiben!). Aber dann wären meine ganzen schönen Übergänge zur Sau. Und das wäre doch schade. Ausserdem wäre es ziemlich schwierig mit den ganzen Ausschweifungen und so. Aber ich mache trotzdem mal eine kurze Übersicht, was euch erwartet:

  1. Gedanken über Baguettes
  2. Kochen mit Couscous für Anfänger
  3. Flirtmethoden, die es zu vermeiden gilt; Wortspielereien und Busfahren mit einem Goldschmied (oder Flirtmethoden, die es zu vermeiden gilt Teil 2)
  4. Einmal Mairie und zurück
  5. Home Sweet Home
  6. Gib Gas! (Oder Strom)
  7. Es wird heiss!

Gedanken über Baguettes

So. Wie krank ist es eigentlich für eine Mail ein Inhaltsverzeichnis zu machen? Aber ich werde jetzt nicht darüber nachdenken, sonst werde ich hier nie mehr fertig. Also viel Spass beim Lesen.

Als modisches Accessoire trägt Madame oder Monsieur statt Seidenfoulard oder Gucci-Sonnenbrille in Bordeaux ein farblich auf den Lidschatten oder die Schnürsenkel abgestimmtes Baguette. Es gibt auch eine riesige Auswahl an unterschiedlichen Baguettes… natürlich klassisch mit Weissmehl, aber auch mit Kernen, Körnern, dunklem Mehl, biologisch hergestellt, mit Sojamehl, Haferkleie oder mit Nüssen und Rosinen… Dieses Gebäck gehört zum alltäglichen und selbstverständlichen Strassenbild hier. Um nicht sofort als Ausländerin aufzufallen, trage ich immer ganz stolz eins mit mir rum und fühle mich dabei sehr französisch. Schmeckt auch superlecker, so’n Baguette!:) So versuche ich mich allmählich an die französische Lebensart zu gewöhnen. Etwas anderes Kleines, was es in Frankreich immer gibt: Wenn ich ein Dokument oder einen Vertrag unterschreibe, muss ich unten immer selber (ganz wichtig: eigene Handschrift!) „lu et approuvé“ vermerken. Oder das bezahlen mit Cheques ist hier auch noch sehr bekannt. Ich musste mir auch ein Chequeheft zulegen, um die Miete bezahlen zu können. Das kommt mir ganz schön ‹Spanisch› vor, besonders weil ich mir Leute mit Cheques immer sehr reich (und amerikanisch) vorgestellt habe. Das trifft nicht unbedingt auf mich zu, auch wenn ich im Moment noch flüssig bin und Peanutbutter abgöttisch liebe (ich habe auch extra ein Kilo aus England importiert als ich Daniela besucht habe, weil das Zeug hier so teuer ist).

 

Kochen mit Couscous für Anfänger

In der Küche von dem Studentenheim hatte ich dann doch noch zweimal gekocht, als ich noch da wohnte. Beides Mal Couscous. Das war auch noch interessant, da ich das eigentlich noch nie gekocht (oder gegessen) habe. Schmeckt aber ziemlich gut und man braucht auch überhaupt nicht viele andere Dinge dazu, was mir gerade sehr entgegenkam. Naja, beim ersten Mal habe ich natürlich viel zu viel gekocht. Auf der Packungsanleitung stand 100 Gramm für ein Hauptgericht. Aber ich habe natürlich keine Küchenwaage dort, alleine der Gedanke daran ist absolut lächerlich. Dann habe ich es halt mit einer ziemlich grossen Tasse abgewogen.

Die Tasse hat mir Nicholas, ein Engländer aus der DEFLE Gruppe, nach seiner Abreise überlassen. Und seine Teebeutel noch dazu. Überhaupt war er SEHR englisch. Er hatte sogar ein Bügeleisen dabei, damit seine Hemden immer schön aussehen. Kommt wohl davon, wenn man mit dem Prinzen von Belgien und Monika Lewinsky im selben Seminar hockt… Nee, der Nicholas war echt ein lustiger Typ und er hatte diesen absolut hochkarätigen englischen Akzent, aber er war trotzdem nicht snobisch oder so. (Im Gegensatz zu einer Engländerin, die uns mal in einem Café angesprochen hat. Sagt die doch in allem Ernst zu uns: „I’m not posh, I took the bus once!“ …)

Auf jeden Fall stellt diese Tasse dort  mein mein einziges Küchenequipment dar, das wirklich mir gehörte. Da ich vorher Schwimmen war hatte ich grossen Hunger und kippte gleich zwei volle Tassen rein… Naja, schon eine Tasse voll Couscous-Körner ist ziemlich viel und zwei ist dann schon ein hartes Stück Arbeit. Das saugt sich ja dann voll, das hatte ich irgendwie nicht bedacht. Zumindest hat mich dieser faszinierende Vorgang des Aufquellens dann zu dem interessanten Gedanken inspiriert: Das Leben ist wie Couscous! Oder zumindest ich werde bald aussehen wie ein zubereitetes Couscous-Körnchen wenn ich nicht aufpasse mit den Mengen – und den vielen leckeren Baguettes. Naja, aber kneifen ging trotzdem nicht, das musste alles weg. (Ich frage mich gerade, ob man das statt mit Bouillon oder Wasser auch mit Milch machen kann. So Milch-Couscous. Stell ich mir jetzt noch cool vor. Werde ich dann mal versuchen. Eine weitere interessante kulinarische Kreation…)

Wie die ganz Scharfsinnigen (die dazu noch ein gutes Gedächtnis haben) unter euch vielleicht bemerkt haben, habe ich letztes Mal gelogen. Naja, ‹lügen› ist so ein hartes Wort, sagen wir geschwindelt. Und es war nur im Interesse des dramatischen Flusses meiner Erzählung, also zählt es eigentlich nicht. Aber die ganz Schlauen werden wohl korrekt gefolgert haben, dass, da ich Couscous gekocht habe, es wohl eine funktionsfähige Pfanne in der Küche gegeben haben muss. Also hier werde ich euch gestehen: Es hat nicht nur eine Pfanne, die ein Loch hat. Es hat zwei und sie haben auch (noch!) kein Loch. Naja, zumindest normalerweise hat es zwei. Aber als ich zum zweiten Mal Couscous gekocht habe, hatte irgendwer wohl die normale Pfanne ins Zimmer genommen, darum musste ich dann Couscous in der Bratpfanne machen. Ich war dann sehr experimentierfreudig und habe gedacht, wenn schon denn schon und ich versuchte das Couscous anzubraten. Das ging aber nicht, dafür wurde die Platte nicht heiss genug. Nur schon um das Wasser heiss zu machen dauerte es eine knappe Stunde (jetzt ohne zu übertreiben), aber ‹kochend heiss› kannst du glatt vergessen.

Einmal haben ein paar Unwissende und ich doch tatsächlich die Verrücktheit besessen, die zwei Herdplatten auf einmal anzustellen um uns beider Pfannen zu bedienen. Ganz blöder Fehler, da hatten wir dann nämlich Stromausfall im obersten Stock. Dann sind so Heinis von der Administration der Village 5 gekommen und haben die Sicherung wieder reingetan (wir konnten das nicht selber, weil der Schrank abgeschlossen ist). Wir mussten die nicht mal holen gehen oder anrufen, die kamen ganz von selbst und auch innerhalb von zehn Minuten, ich war echt beeindruckt.  Naja, das passiert hier scheinbar fast jeden Tag, also ist es auch nicht wirklich verwunderlich, dass sie sofort zur Stelle waren. Als sie fertig waren meinten sie, dass es jetzt wohl wieder gehen sollte und haben sich verabschiedet. Wir haben es dann nochmal versucht und dann ist der Strom natürlich nochmal ausgefallen. Die waren ganz schön sauer, dass die wieder herkommen mussten… sie haben uns dann den Drehknopf von der einen Platte weggenommen!:( Tja, dann gab’s halt wieder gefrorenes Yoghurt und was nach dem ganzen in der Stadt zur Schau Herumtragen vom Baguette noch übrig geblieben war.

colaunfall
*seufz* Lustig ist das Studentenleben, faria faria ho!

Eines schönen Abends hat auch jemand ne Coladose in meinem Fach des Kühlschrankes verstaut. War ne super Idee – wie wir ja alle schön brav in der Schule gelernt haben, hat Eis eine grössere Oberfläche als Wasser (oder sowas in der Art; falls euch diese allfälligen Fehler stören, bitte ich euch, mich nicht darauf hinzuweisen, denn es nützt genau so viel wie wenn ihr sie addiert und das Resultat mit dem Erdumfang geteilt durch das Gewicht eines schwangeren Blauwals multipliziert, nur nervt mich Letzteres weniger) – und die Sauerei am nächsten Morgen war beträchtlich. Also waren meine ganzen Lebensmittel mit Cola verseucht – und den Kühlschrank musste ich auch noch putzen. (Naja, das hat sicher nicht geschadet. Der war vermutlich seit 1997 nicht mehr so sauber.) Erdbeer-Cola Yoghurt ist schon nicht so jedermanns Sache, aber man muss dem Ganzen zu Gute halten, dass es zumindest Cola Zero war und ich wenigstens nicht viele Kalorien zu mir genommen habe. Also wirds ja vielleicht doch noch etwas länger dauern mit der Verwandlung in ein Riesen Couscous. Immer das Positive sehen! Mir als eingefleischtem Optimisten fällt sowas natürlich besonders leicht.

 

Mittlerweile bin ich in der neuen Wohnung und dank den Boxen auch Musik. Auch auf der Strasse kommt Musik immer gut. Je lauter, desto weniger ‹Mademoiselle›. Gut, ‹Mademoiselle› ist ja noch heilig. Zum Glück versteh› ich nicht alles. Möglicherweise fühle ich mich auch immer betroffen, weil ich nicht viel verstehe und eigentlich geht es gar nicht um mich. Manche Wörter … hmm … das sind  dann eigentlich gar keine Wörter, sondern eher Geräusche … sind wohl international. Aber manchmal frage ich mich schon, eben, ich weiss nicht, ob mir das hier einfach mehr auffällt, oder weil ich nicht an die Stadt gewöhnt bin oder was weiss ich … Zumindest meine ich, es passiert häufig, dass die Männer versuchen einen anzumachen.

Flirtmethoden, die es zu vermeiden gilt ; Wortspielereien und Busfahren mit einem Goldschmied (oder Flirtmethoden, die es zu vermeiden gilt Teil 2)

Vielleicht bin ich ja bescheuert. Aber ist das Ziel einer Anmache nicht ein Flirt, ein Kennenlernen, ein erstes Anbändeln, vielleicht auch einfach der Wunsch nach Sex mit dem anderen? Gut. Und wann in der gesamten Menschheitsgeschichte hat es schonmal funktioniert, dass frau sich nach einem Mann umdreht[, der (am besten mit ein paar Kumpels dasitzt und (zusammen mit ihnen)) irgendwelche unartikulierten Laute von sich gibt und höchstens noch ein ‹Mademoiselle, sexy, Mademoiselle› zu Stande bringt, wenn sie vorbeigeht], sich die Kleider vom Leib reisst und ihn zum sofortigen Geschlechtsverkehr auffordert? (Sorry, der Satz ist jetzt ziemlich lang, kompliziert und verschachtelt. Man muss ihn vielleicht mehrmals lesen um die eigentliche Genialität, die darin steckt, zu würdigen.) Obwohl ich das nicht wissenschaftlich belegen kann, bin ich sicher, dass der Prozentsatz der Frauen, die so reagieren, verschwindend klein bis nichtexistent ist. Die Geschichte wäre sogar zu banal für einen Porno. Wenn ich mir das so überlege, würde ich es eigentlich gerne mal testen. Ha! Die würden ein blödes Gesicht machen! Vielleicht kriegen sie sogar Angst! Aber wenn nicht, habe ich dann ein grösseres Problem. Naja, auf jeden Fall ist es doch merkwürdig, dass an einer Taktik festgehalten wird, die so ganz und gar ineffizient ist. Was mich dazu bringt zu vermuten, dass damit wahrscheinlich ein anderes Ziel verfolgt wird.

Aber was? Sex kommt nicht in Frage, das haben wir ja jetzt hoffentlich geklärt. Spass? Aber was daran ist lustig? In den meisten Fällen wird die Frau die Idioten wohl ignorieren. Vielleicht wird sie sich ärgern. Okay, Leute ärgern kann schon ganz witzig sein. Aber geht es nicht ein bisschen raffinierter? Ausserdem: Wenn ich die Wahl hätte, ob ich einen Typen der mir gefällt ärgern oder flachlegen könnte, würde ich wahrscheinlich Zweiteres wählen. Oder beides. Aber Ersteres lässt sich eher selten mit Letzterem verbinden. Oder nein, das stimmt nicht. Man muss nur die richtige Reihenfolge beachten, dann klappt das schon. Und ja, vielleicht ist das nicht dasselbe. Immerhin schaue ich dem Typen auch mal ins Gesicht, bevor es mir auch nur in den Sinn kommt, ihn anzusprechen. Wohingegen Männer scheinbar schon der Anblick eines Rocksaumes aus der Entfernung von einigen hundert Metern dazu veranlasst, mit ihrem Pfeifkonzert zu beginnen. Da können sie ja noch nicht mal wissen, ob das ein nettes Schulmädchen oder ein alter Schotte ist, der da langmarschiert. Vielleicht ist ihnen das ja auch schnuppe, aber wenn sie dann einen schwulen Schotten im Nacken haben, werde ich mich zur Abwechslung mal über sie lustig machen.

Einmal bin ich zur Post gegangen und da hat mich so ein Junge angesprochen und er hat mir seine Nummer gegeben. Dieses Mal habe ich dann gleich von Anfang an gesagt, dass ich keinen ‹petit ami› suche.

Da muss ich jetzt wieder einen Einschub machen. Die sagen doch tatsächlich ‹petit ami›. Das ist jetzt ein Ausdruck von dem ich immer überzeugt war, dass wir das einfach so in der Schule gelernt haben und kein Mensch das wirklich sagt. (Kein Mensch sagt zum Beispiel ‹bon marché› hier, die sagen immer ‹moins cher›. ‹Bon marché› ist zwar richtig, aber das ist wahrscheinlich wie ‹vergackeiern›. Das Wort existiert zwar, man kann sich auch was drunter vorstellen, aber benutzen würde man es trotzdem nie.) Naja, zumindest heisst es also wirklich ‹petit ami› für Freund (im Deutschen ist es ja irgendwie auch nicht so ganz eindeutig. Aber wenn man als Frau sagt, dass man einen Freund hat, gehen die meisten Leute wahrscheinlich schon davon aus, dass ‹der› Freund gemeint ist – und lassen einen hoffentlich in Ruhe. Ausser man sieht so aus, als hätte man nur einen einzigen Freund auf der Welt. Hmm, vielleicht hat das bei mir drum in Australien nie klappen wollen, wenn ich jeweils gesagt habe, ich hätte einen Freund… Langsam wird mir alles klar! Nee, so’n Scheiss, das war ja Englisch. Ich schweife schon wieder ab!). Also, in Frankreich ist’s laut meinem aktuellen Wissensstand entweder petit(e) ami(e) oder copain / copine, aber das ist dann auch nicht ganz eindeutig… Schwierig, diese ganzen Wortklaubereien… Aber schon noch interessant, finde ich. Hatte irgendwie den Gedanken: Je n’ai pas besoin d’un petit ami. J’ai besoin d’un grand ami! Was jetzt bitte nicht zweideutig verstanden werden sollte. (Nein, diesmal wirklich nicht!) Vielleicht wäre ‹J’ai besoin d’un bon ami.› besser, zumindest wäre das die Bedeutung, die ich dem Satz geben wollte. Aber dann wär’s nicht mehr lustig, weil’s dann keinen Sinn macht mit dem petit/grand respektive bon. Überlegt ihr euch eigentlich auch manchmal solches Zeug? Und ich nehme noch nicht mal Drogen!

Äh ja, mal wieder zurück zu dem Typen vor der Post. (Irgendwie laufen diese Geschichten immer genau gleich ab, nicht? Das erspart euch aber nicht eine weitere, ermüdende, langwierige Beschreibung aller Umstände und Gedanken meinerseits. Muahahaha!) Er hat dann gefragt, ob ich schon einen Freund (also petit ami! Dann hat sich der ganze Einschub über den Ausdruck wenigstens in meinen Augen gelohnt) habe und ich habe gelogen und ja gesagt… (Huch, mir fällt gerade auf, wieviel ich lüge! Wahnsinn! Und wir reden ja hier nur von dem, was mir bewusst ist – und was ich zugebe…) Und das war ihm dann egal, hat er behauptet. Während wir geredet haben, habe ich sogar versucht mir zu merken, wie er aussieht. Nicht, dass ich wieder dastehe wie ein Esel. Ich gebe mir also schon Mühe, wie ihr seht. Ja er hat dann gesagt, ich soll ihm unbedingt schreiben und wir trinken morgen was zusammen.

Am übernächsten Tag wollte ich dann ins Kino gehen mit Anne-Sophie einem Au-Pair von Österreich, die ich mal per Zufall getroffen hatte. Durch sie habe ich dann ein paar andere kennengelernt, vor allem Engländer und einen Franzosen, die Couchsurfing in Bordeaux machen. Die habe ich auch alle angeschrieben, ob sie mitkommen wollen. Naja, auf jeden Fall dachte ich mir, da kann der andere ja meinetwegen auch mitkommen und habe ihm ne SMS geschickt. Er hat dann aber nicht geantwortet und am Ende konnten nur Anna Sophie und ich ins Kino gehen. Nach dem Kino sind wir noch so ein  bisschen spaziert und haben geredet und plötzlich kommt der doch mit einem Kollegen von ihm an und fängt uns an zuzuschnorren…
Ah keine Ahnung, das war echt nervig, wir hatten gerade ne interessante Unterhaltung und bäh, war einfach mühsam. Ja und er hätte mich heute schonmal an der Bushaltestelle gesehen und sorry, dass er nicht zurückgeschrieben hätte und was weiss ich noch alles und ich solle mich unbedingt melden, er helfe mir dann beim Umziehen und … keine Ahnung. Ich fands irgendwie… beunruhigend. Wieso hat der mich schon an der Bushaltestelle gesehen? Wieso taucht er jetzt einfach auf? Und wieso willst du mir unbedingt mein Umziehen helfen? Keine Ahnung, war irgendwie blöd, so ne Mischung aus Unbehagen (verfolgst du mich oder was?) und Mitleid (du interessierst mich wirklich nicht!). Also er hat mir nicht wirklich Angst gemacht es war mehr so… er war irgendwie so anhänglich und … ‹bemüht›, aber das hat mich dann total genervt.
Wir wollten die auf jeden Fall einfach nur noch loswerden (das war ziemlich merkwürdig, wie wir uns auf Französisch mit denen (ein wenig gezwungen) unterhielten und auf Deutsch darüber debattiert haben, wie wir jetzt am besten die Fliege machen… Naja, wir haben dann gesagt, dass Anne-Sophie nach Hause muss, Kinder hüten und ich begleite sie (Ha, daran kann man ablesen, dass der mich überhaupt nicht kennt. Ich und jemanden begleiten um auf Kinder aufzupassen, was für eine absolut abartige Idee!).

Ja, ich habe schon ein bisschen ein schlechtes Gewissen. Noch ne Lüge. Ich weiss jetzt auch nicht, was ich machen soll, wenn der mich nochmal anruft oder schreibt. Ich glaube, beim ersten Mal nehme ich einfach nicht ab. Aber nachher muss ich vielleicht schonmal. Aber scheisse, was sagst du da? Äh, sorry, aber du nervst. Ich war noch müde, als ich dich kennengelernt habe und da ist mir entgangen, dass du eigentlich nicht sympathisch bist. Beim ersten Mal gings noch, aber nachher… Und dass der mich so unbedingt sehen und mir beim Umziehen (und wir reden hier von Kisten schleppen, also bitte!) helfen will… Hast du keine eigenen Kollegen?

Keine Ahnung, ich finde mich selbst ganz doof. So lerne ich ja nie jemanden kennen, ich bin ja eigentlich diejenige, die keine Kollegen hat hier (und der die Leute zutrauen, dass sie nur einen einzigen Freund hat, wie wir vorhin gesehen haben…)… Ich bin halt ein wenig schizophren. Nee schizoid heisst das. (Da hat sich die Therapie aber wirklich gelohnt, und wenn’s nur ist, dass ich jetzt diesen Unterschied machen kann!) Ich will zwar Leute kennenlernen, aber nicht die, die mich kennenlernen wollen. „Dä Hans im Schnäggäloch, dä isch mit mir verwandt…“ 
Was lerne ich denn jetzt aus dem ganzen Scheiss? Wie sagt man nett, aber bestimmt „Nein, kein Interesse!“? Ignorieren kann ich die Leute ja recht gut, wenn ich einfach rumlaufe, aber sobald du dich mal auf’n Gespräch eingelassen hast…und wenn’s nur darum geht, dass einem jemand erklärt, wo die nächste Bushaltestelle ist…

 

So passiert gestern. Ganz freundlich hat mich der mittelalterliche Herr sogar direkt dahin geführt. Und natürlich haben wir ein bisschen gesprochen. Er ist Goldschmied und Single. Aha, da fängts ja schon an. Und wenn ich Zeit habe können wir ja einen Café trinken. Ich lehne höflich ab (ich kann ja nicht so sein, immerhin habe ich ihn nach dem Weg gefragt und er hat ihn mir gezeigt.) Ich weiss nicht, wo genau das Problem liegt. Vielleicht bin ich einfach zu ’nett› (ich sehe, wie ihr lacht!). Aber mal ehrlich: Jemanden zu irgendwas einladen braucht ja doch ein bisschen Mut und wenn der andere einen dann runterputzt ist das ja echt fies und beide kommen sich ganz dreckig vor. Also bedient man sich mit vorsichtigen Ausreden, damit sich beide nicht zu genieren brauchen und sich ohne grössere Blessuren aus der Affäre ziehen können (zumindest finde ich, dass man das so macht. Das gehört zum guten Ton. Und wenn das von mir kommt, heisst das ja wahrscheinlich etwas, da ich glaube ich nicht gerade als besonders taktvoll bekannt bin…) Aber die Message sollte ja trotzdem klar sein. Wenn ich ja Lust hätte, aber keine Zeit würde ich einen anderen Termin vorschlagen oder so, nicht? Als endlich der Bus kam und ich mich schon erlöst verabschieden wollte, ist ihm zufälligerweise in den Sinn gekommen, dass er ja denselben Bus nehmen könnte… Eigentlich sollte man meinen, dass Männer auch ein gewisses Feingefühl besitzen was Absagen betrifft. Einen Satz wie „Du kannst mir Deine Telefonnummer schon geben, wenn du unbedingt willst, aber ich werde dich nicht anrufen.“ sollte man nicht mehrmals wiederholen müssen. (Na gut, ich weiss nicht, was ‹unbedingt› auf Französisch heisst, aber den Rest habe ich schon hingekriegt.). Nachdem wir beide bei meiner Bushaltestelle ausgestiegen sind und ich ‹unbedingt› einkaufen gehen musste, ist er dann endlich gegangen (nicht ohne mir noch ein letztes Mal seine Telefonnummer anzubieten). Die Ausrede war ziemlich blöd, weil ich eigentlich ganz dringend auf’s Klo gehen musste, aber nicht wollte, dass er mir bis nach Hause folgt. Und weil ich Angst hatte, dass er noch draussen rumstehen könnte, hat es dann auch eine halbe Stunde gedauert, bis ich mich endlich mit zusammengekniffenen Oberschenkeln für eine Sorte Mehl entschieden hatte (Vollkorn, Carrefour Discount für 1.33 Euro).

 

Einmal Mairie und zurück

Es gibt mehrere Informationszentren für Jugendliche in Bordeaux (CIJA). Ich war auch schon öfters da und habe mir die verschiedenen Ordner angesehen. In einem Ordner über Arbeit habe ich dann gelesen, dass ich mich, wenn ich hier arbeiten will, innerhalb von drei Monaten nach meiner Ankunft im Rathaus melden muss, um mich einzuschreiben. Um ganz sicher zu gehen habe ich noch eine Angestellte des Informationszentrum gefragt und die hat mir dann erklärt, wo die ‹mairie› oder das ‹hôtel de ville› (Ich habe immer gedacht, das sei ein Hotel! Und ich habe schon gedacht, es sei komisch, dass es überall gleich heisst, aber dann dachte ich, das sei halt so ne Tradition. Wie in der Schweiz wo jedes zweite Restaurant „Pöstli“ oder „Rose“ oder „Sterne“ heisst…) zu finden ist.

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Das «Hôtel de Ville»! Nicht zu verwechseln mit der «Mairie» und / oder der «Préfecture»! (Ich habe den Unterschied immer noch nicht begriffen…)

Ich bin dann dahingegangen und habe mich im Eingang geirrt und bin erstmal in ne Hochzeit reingestolpert, ich konnte gerade noch flüchten, bevor mich die Leute auch noch anfingen zu begrüssen und zu fragen, zu welchem Teil des Brautpaares ich denn gehöre… Naja, es hätte wohl gratis Cüpli gegeben, aber das mag ich ja eh nicht, also habe ich mich wieder rausgeschlichen.

Bei der Anmeldung habe ich dann versucht mein Anliegen zu erklären und ich habe gesagt, dass ich Erasmusstudentin sei, aber auch arbeiten möchte und gelesen habe, dass ich mich jetzt hier innerhalb von drei Monaten bei der mairie anmelden muss. Die Frau war etwas ungeduldig und hat gesagt, sie seien dafür nicht zuständig, es gäbe was anderes für Studenten und dann hat sie mir so einen Plan gezeichnet. Ich war etwas sauer, weil ich ihr versuchte zu erklären, dass ich gerade von diesem Informationszentrum käme und die mir gesagt hätten, ich müsse hierher. „Et maintenant?“ Da habe ich aufgegeben und gedacht, na gut, geh ich halt zurück und kopier mir die Seite raus, wo das gestanden hat. Aber ich habe dann gemerkt, dass sie gar nicht dieses Informationszentrum gemeint hat, sondern die ‹maire pour les jeunes›. War ich froh, dass meine mangelnden Sprachkenntnisse mich davor bewahrt haben, ein riesen Trara zu veranstalten, wie ich es wahrscheinlich sonst gemacht hätte… Nun ja, in dieser ‹mairie pour les jeunes› brachte ich dann mein Anliegen erneut vor.
Ich habe ja gesagt, ich käme ganz gut zurecht mit meinem Französisch. Äh ja, dachte ich zumindest. Was meine Französischkenntnisse betrifft, hängen diese offensichtlich stark von der jeweiligen Situation ab. Wenn die Leute mir etwas verkaufen (oder ihre Telefonnummer andrehen) wollen, spreche ich sehr gut Französisch. Sobald ich etwas von ihnen will, verstehen sie dann plötzlich nur noch Bahnhof.

Am Ende hatte die Frau (die war im Gegensatz zur anderen sehr nett) das Gefühl, ich wollte einen Job beim Bürgermeister… Es war zum Heulen, oder eher zum Lachen. Da hat sie mir lang und breit erklärt, dass das im Moment nicht geht, aber dass ich meinen Lebenslauf vorbeibringen kann und sie suchen erst im Oktober wieder Leute, vielleicht könnte ich ja für die Krippe oder als Putzfrau arbeiten, aber nur von 11:30 bis 14:00 (das hat sie lustigerweise etwa siebenmal wiederholt). Ich habe mehrfach angesetzt, um zu erklären, dass ich keine Arbeit bei ihnen suchte, schon gar nicht zum Kinderhüten, aber irgendwann habe ich aufgegeben, mir alles angehört, gelächelt und genickt und schliesslich konnte ich sogar gehen… Komisch, dass niemand kapiert hat, was ich wollte. Immerhin kann ich nicht der einzige und erste Ausländer sein, der in Bordeaux arbeiten möchte und sich deshalb bei der ‹mairie› anmelden muss…

An einem anderen Tag bin ich dann zurück zur CIJA und habe erklärt, dass ich auf der Mairie war und wie das jetzt ist. Da hat mir ein Herr erklärt, ich müsse nicht zur Mairie sondern zur Préfecture. Die habe ich dann gesucht und auch irgendwann gefunden. Sie war leider umgezogen und als ich dann bei der neuen Adresse angekommen war und mein Anliegen beim Empfang vorgebracht hatte, erfuhr ich, dass diese Abteilung bereits geschlossen war. Also noch ein neuer Versuch am nächsten Tag. Ich habe meine Schuhe verflucht, weil ich eine Stunde in der Schlange gestanden habe. Zum Glück hatte ich ein Buch dabei, um mir die Zeit zu vertreiben. Als ich dann endlich beim Schalter angekommen war, meint die Frau freundlich, ich müsse gar nichts machen, mein Arbeitgeber müsse mich dann bei einer Adresse (die sie mir dann doch notiert habe, weil ich darauf bestand) anmelden. Keine Ahnung, wie ’normale› Franzosen damit zurechtkommen. Ich habe ja Zeit und nichts anderes zu tun als in der Stadt rumzurennen, mich in ellenlange Schlangen zu stellen und nach Formularen zu fahnden, die ich dann eigentlich doch nicht brauche. Wie man das Ganze (kombiniert mit den unmöglichen Öffnungszeiten) in einen normalen Arbeitsablauf (womöglich noch mit Kindern) integrieren soll ist mir schleierhaft. Kennt ihr den Film ‹Asterix erobert Rom› in dem Asterix und Obelix in ein Irrenhaus gehen um den Passierschein A 38 zu holen? Es wundert mich gar nicht, dass die Autoren Franzosen sind / waren.

(Nachtrag aus dem Jahr 2015: Interessant ist auch, dass die Autoren von Asterix und Obelix Uderzo und Goscinny beide keine «ursprünglichen» Franzosen waren sondern aus (wie man es wohl heute ausdrücken würde) Familien mit Migrationshintergrund stammten. Dies schärft wohl den Blick auf die Gesellschaft mit deren spezifischen Macken und Funktionsweisen. Trotzdem immer wieder aufschlussreich, wie sehr «Ausländer» zur eigenen Identität und dem Selbstverständnis eines Staates – selbst derjenigen der GRANDE NATION  – beitragen, nicht wahr? Jetzt wünsche ich mir neben dem Nobelpreis für Literatur einen Preis für die Entwicklung eines der Wichtigkeit und Beliebtheit asterixwürdigen Comics… vor dem Preis müsste ich wohl noch so einen Comic erfinden, aber das ist in meinem Grössenwahn Nebensache.)

Ich freue mich schon darauf, der/die/das CAF zu beantragen. Das ist so ne Wohnngsfinanzierungshilfe für Studenten, auf die ich sehr wahrscheinlich Anspruch habe.

Home Sweet Home

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Strassenschild der Rue André-Dumercq 🙂

Mittlerweile bin ich in mein neues Heim gezogen. Die Adresse ist 8 rue André Dumercq, 33000 Bordeaux. Das sagt euch jetzt wahrscheinlich nichts. Würde mich auch eher wundern. Also es ist ganz in der Nähe vom ‹Place de la Victoire› (was euch jetzt wahrscheinlich auch nicht weiterbringt) und der ‹Rue St. Catherine›. Also wenn ich einmal umfalle bin ich praktisch in der Rue St. Catherine, was so nebenbei bemerkt, die längste Einkaufsstrasse in Europa ist. Nicht schlecht, was? Und – darüber muss ich nun wirklich lachen – gleich um die Ecke ist ein 2 Euro Laden. Zum Glück ist das eine Kette und es war nicht derselbe, in dem ich die Verkäufer genervt hatte. Sonst würde ich mich jetzt nicht mehr auf die Strasse trauen. Naja, keine Ahnung, es ist eine ziemlich interessante Erfahrung bisher. Zum ersten Mal im Leben könnte ich mir ne Pizza nach Hause bestellen – und sie würden es finden! Aber wieso was bestellen, wenn ich genausogut in fünf Minuten in der Pizzeria sitzen kann?

Ich lebe mich wirklich allmählich ein. Ich habe Kundenkarten von Auchan und Carrefour (so’ne Art die Äquivalenten zu Migros und Coop, wenn ich das richtig sehe) und akkumuliere fleissig ‹Superpunkte› oder was auch immer das sein soll. Was ich übrigens ganz erstaunlich finde – obwohl ich nicht sicher bin, ob das in der Schweiz vielleicht auch so ist und ich mich noch nie geachtet habe – die Produkte sind auch mit Blindenschrift versehen. Ich bin wirklich beeindruckt, das ist ja echt mal ne gute Sache! Ausserdem steht bei Lebensmittelwerbung auf Plakaten immer mit drauf, man solle am Tag mindestens 5 Früchte oder Gemüse essen und sich genug bewegen. Ein bisschen wie die tödlichen Warnungen auf Zigarettenpackungen. Ich wusste gar nicht, dass das in Frankreich auch so ein grosses Thema ist. Aber diesen Sommer gab es auch eine Aktion von der Mairie aus, die die Leute auffordern sollte, sich mehr zu bewegen: „Cet été: Bordeaux bouge!“ Ich habe mir jetzt auch wieder ein Fitnesscenter (klingt bescheuert, aber da kann ich sogar endlich mal fernsehen!) gesucht und ein gratis Velo beim ‹Maison du vélo› gemietet, damit sich die Sache mit dem Riesen Couscous (ja, das musste ich jetzt nochmal bringen) ein wenig verzögert. Also bin ich wirklich mehr oder weniger installiert.

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Tolles Puff!

Mein Appartement selber besteht eigentlich aus einem grossen Raum, einer Küche und einem Badezimmer. Angie, die mich eine Woche besucht hat, drückte es sehr treffend aus: «Es ist nicht hässlich, es ist einfach heruntergekommen!» Ab und zu laufen mir so kleine Viecher über den Weg, von denen ich behaupte, dass es Kakerlaken sein müssten, obwohl meine Kenntnisse der Insektologie (das Wort existiert vermutlich auch nicht) sehr beschränkt sind. Die Farbe blättert ein bisschen und der Vermieter hat auch ne interessante Vorstellung davon, was ‹möbliert› heisst. Es gibt zum Beispiel zwei Gestelle (von denen eins so wacklig ist, dass ich mich nur getraue es mit Papiertaschentüchern zu bestücken), nur einen Stuhl, dafür aber eine Plastikpflanze. Was ich damit soll, weiss ich nicht, aber wegwerfen kann ich das Inventar ja auch nicht. Ich habe sie jetzt einmal in den Gang gestellt, neben den Plastikbaum (von dem ich jetzt einfach mal frech annehme, dass er ebenfalls zu meiner Wohnung gehört). Man muss jedoch sagen, dass ich jetzt vor Flutwellen aus meinem Badezimmer gefeit bin – ich kann schon froh sein, wenn genug Wasser rauskommt, um meine Haare zu waschen. Dafür ist die Küche wirklich schön und gross und ich habe wieder Couscous gekocht und dieses Mal dauerte es nur etwa 10 Minuten. Nein, ist alles nicht so schlimm. Eigentlich ist es toll!

Leider habe ich schon eine ziemliche Unordnung, obwohl ich erst gerade eingezogen bin. Ich versuche mir einzureden, dass das genau daran liegt, dass ich gerade eingezogen bin. Aber wen will ich hier eigentlich vergackeiern? Das sieht in zwei Wochen bestimmt noch genauso aus – oder schlimmer, weil ich dann noch mehr Zeugs gekauft habe. Ich habe einfach ein bisschen ein Platzproblem. Da ich es gewohnt bin, so ziemlich alles und davon viel in irgendwelchen Estrichen, Bunkern oder im Stall gelagert zu haben, habe ich hier dummerweise dasselbe angefangen. Und als würde ich erwarten, dass bald der Krieg ausbricht, türmen sich die WC-Papier-Rollen im ‹Wohnzimmer› neben den 20 Packungen Dosenravioli und den fünf Ordnern, die gerade im Angebot waren. Das muss ich mir noch abgewöhnen, ich habe schlicht keinen Platz für Vorräte. Ausserdem ist es unnötig. Die Läden sind gleich um die Ecke und haben bis 9 Uhr Abends auf – und selbst wenn die Schweiz von der Uno aufgeteilt wird und das allgemeine Chaos ausbricht bin ich ja in Bordeaux erstmal sicher.

Diese Woche habe ich aber mal so richtig geputzt (zumindest teilweise sehr intensiv) und es hat mir sogar irgendwie Spass gemacht, obwohl die Dämpfe, die ich im Badezimmer produziert habe, mich beinahe umgebracht haben. Das ‹Wohn- und Schlafzimmer› hingegen ist abgesehen von dem Spiegel und dem Fenster immer noch in relativ dreckigem Zustand. Ein Staubsauger wäre keine schlechte Sache, aber erstens wäre das (sogar Occasion) ziemlich teuer und zweitens habe ich – wie bereits angedeutet – einfach keinen Platz für etwas, dass ich dann wahrscheinlich sowieso nicht oder höchstens alle Schaltjahre einmal benutze. Vielleicht kann ich ja mal meine Nachbarn fragen, ob sie mir ihren Staubsauger mal ausleihen, falls sie denn einen besitzen.

 

Gib Gas! (Oder Strom!)

Ich hoffe einfach, sie stellen mir den Strom und das Wasser nicht ab. (Mittlerweile ist es nämlich auch nicht mehr so schön und heiss hier. Dummerweise habe ich fast nur Kleider für warme Tage (gerade in Camden, London, mit Daniela habe ich mir noch drei wahnsinnig tolle Kleider gekauft. Nicht warm, aber schön. Aber eben, jetzt ist es nicht mehr so warm hier. Ich spiele sogar ernsthaft mit dem Gedanken, mir eine Bettdecke zuzulegen.) Der nette Herr von der Immobilienagentur hat mir gesagt, er ruft mich an und gibt mir die Nummer vom Elektrizitätswerk und ich muss dann irgendeine Nummer angeben, die er mir auch aufgeschrieben hat. Ich hoffe, ich kriege das hin. Sollte ich  eigentlich schon schaffen. Aber eben, am Schluss denken sie wieder, ich wolle eine Karriere als Elektromonteur beginnen…

Das hat sich mittlerweile auch geklärt. Ich habe nie mehr etwas von der Immobilienagentur gehört und darum bin ich dann mal vorbeigegangen und habe nachgefragt. Er war wirklich nett und hat sich entschuldigt, weil er mich vergessen hatte. (Ich hatte immer noch Strom und Wasser, darum war ich auch nicht böse.) Dafür hat er gesagt, er ruft gleich selber an. Nachdem er etwa fünf Minuten in der Warteschlaufe war, mussten wir dann einen anderen Termin abmachen, weil ich keinen Bankauszug dabei hatte (der offensichtlich benötigt wurde). Als ich dann am nächsten Tag mit meinem RIB (Relevé d’identité bancaire) zuückkam, versuchte er es noch einmal. Das war  recht lustig. Es dauerte 25 Minuten, bis die endlich kapiert haben, was er wollte und die mussten allen möglichen Firlefanz wissen. Also alleine hätte ich das nie geschafft. Das Schöne war jeweils sein Gesicht zu beobachten, während er sich über die verschiedenen Menschen am anderen Ende der Leitung aufgeregt hat. Zumindest wir beide haben uns gut amüsiert. Besonders als ich dann selber meinen RIB vorlesen sollte (alles andere konnte er regeln, aber das ist scheinbar irgendeine bescheuerte Vorschrift). Da musste mein Immobilienmakler so lachen, dass ich auch nicht mehr anders konnte. „Ich könnte ihnen ja irgendwen geben oder meine Stimme verstellen!“, antwortete er (vermutlich auf die Frage, was denn bitte so lustig sei). Das fand der andere vermutlich nicht so witzig, zumindest hat er mich dann gefragt, ob ich wirklich ‹ich› sei… Was natürlich extrem viel zu meiner Identifizierung beigetragen hat. Für den ganzen Stress habe ich der Agentur dann am nächsten Tag dafür eine Tafel Schokolade vorbeigebracht. Zum Glück hat mein Bruder mir, als er zu Besuch war, zwei Kilo Lindt Schoggi dagelassen. Eignet sich herrlich zum Einschleimen. Man könnte es zwar auch in Frankreich kaufen, aber die Originalverpackung für teures Geld aus der Schweiz importieren ist doch allemal den Aufwand wert!

 

Es wird heiss!

küche
Die Küche… natürlich darf der Tiptopf nicht fehlen!;-)

Ich habe jetzt sogar einen Ofen! Von Moulinex (nee, keinen Mixer und die Frau, Yacht, Insel, Meer, Auto, Schloss und Rennpferd fehlen auch noch). Aber er funktioniert. Bisher habe ich noch nichts gebacken, nur Aufbackbrötchen. Das war immer ein Traum von mir. Wenn ich meine eigene Wohnung habe, gibt es am Morgen frische (Aufback)Brötchen! Zuerst war ich hin – und weg. Also wirklich total begeistert. Dann ist gestern etwas passiert, das die Freude ein wenig gedämpft hat. Irgendwie ist das Backpapier ein wenig nach hinten gerutscht und dann hat es angefangen zu brennen. Ich habe mich ganz schön erschrocken. Aber aus einem Reflex heraus, auf den ich im Nachhinein sogar stolz bin, habe ich sofort die Tür zugemacht. Dann hat das Feuer noch eine Weile weitergekokelt und ist irgendwann ausgegangen. Keine Ahnung, ich habe jetzt beschlossen mich davon nicht entmutigen zu lassen. Das passiert halt mal. Erinnert mich an das erste Mal, als ich das erste Mal in der Mikrowelle noch eingepackte Butter versucht habe weich zu machen. Was heisst ‹versucht habe›? Das war nachher flüssig, wie ihr euch vorstellen könnt. Trotzdem, wenn ihr in den nächsten Tagen die Homepage von Bordeaux besucht und auf der ersten Seite statt „Cet été: Bordeaux bouge!“ lest „C’était Eve: Bordeaux brûle!“ wisst ihr ja Bescheid.

So, jetzt wisst ihr wieder, was ich so getrieben habe. Wie ihr seht, geht es mir ausgezeichnet und ihr müsst euch keine Sorgen machen, auch wenn es sich vielleicht manchmal so liest. Es gibt sicher noch das eine oder andere, dass ich eigentlich mal noch erzählen wollte, und jetzt vergessen habe. Aber habt (keine) Angst! Die nächste Mail kommt bestimmt! Bis dahin macht’s gut!

Bisous,
Evil Lynn

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