Dinner for (n)One
Ursprünglich schrieb ich diese E-Mails während meines Austauschjahres in Bordeaux… also von Juli 2009 bis Juli 2010. Und weil ich zur Zeit gerade zu faul bin etwas Neues, Kreatives zu schreiben und gleichzeitig geltungssüchtig und exhibitionistisch veranlagt bin: Voilà! (Im Moment noch die reine Textversion, halbschlau anonymisiert – sobald ich es schaffe (und falls noch die Lust dazu besteht) mit Bildern und / oder Zeichnungen…)
Salü zämä!
So, da ich ja nun wieder eine Weile im Ausland bin, kann ich diese lustige Tradition, ellenlange Mails zu versenden, fortsetzen. Ich weiss, dass ihr schon sehnsüchtig darauf gewartet habt, meine komischen Mails zu lesen – oder auch nicht. Auf jeden Fall bekommt ihr sie jetzt. Und wenn euch das nicht passt, aktiviert ihr am besten euren Spam-Filter oder so. Aber eigentlich solltet ihr euch glücklich schätzen.
Die Fragen bleiben so ziemlich dieselben, wie beim letzten Mal. Wo wohne ich? Wie komme ich wieder nach Hause? Wo finde ich etwas zu essen? Wer cremt mir den Rücken mit Sonnencreme ein?
Nachdem ich am 29. Juni endlich meine Seminararbeit fertiggeschrieben und abgegeben hatte, die nächsten zwei Tage noch ein paar Dinge eingekauft und es am 1. Juli endlich geschafft habe zu packen, bin ich also am 2. Juli um 7 Uhr in den Zug nach Paris gestiegen. In Paris musste ich dann umsteigen und erlebte zum ersten Mal, dass die Franzosen eigentlich ganz nett sind. Ein Mann hat mir ganz spontan geholfen, einen meiner schweren Koffer die Treppe herunterzutragen. Nach Bordeaux kam ich – man höre und staune – eigentlich ziemlich problemlos.
Auch den Campus zu finden war nicht allzu schwer – das Tram(way) fährt direkt dorthin. Ich guckte zum Fenster raus und die Stadt gefiel mir auf Anhieb. Viele alte Gebäude, an jeder Ecke – selbst zwischen den Ecken – Cafés, Bars und Restaurants, die zu einem Besuch einladen… Das war schon einmal ein guter Anfang. Je länger die Fahrt Richtung Campus dauerte, desto weniger interessant sieht es jedoch draussen aus. Ein bisschen mehr heruntergekommen, ein bisschen weniger von allem, was irgendwie nach Spass und Unterhaltung aussieht.
Auf dem Campus angekommen zog ich meinen Plan aus der Tasche und versuchte meine Unterkunft, die village 5, zu finden. Das wurde nicht gerade einfacher, da a) mir nicht klar war, ob sich das Sekretariat (dort sollte ich mich anmelden und meinen Schlüssel abholen) im selben Gebäude wie die village 5 befand und wenn nicht, wo ich denn das Sekretariat (welches? Das der gesamten Universität?) finden könnte. b) keine Karten lesen kann. (Überhaupt finde ich mich schlecht zurecht. Dass ich mich beim Orientierungslauf in der Kanti verlaufen habe ist nur ein klassisches Beispiel…) c) ich zwei Rollkoffer hinter mir herzog, es heiss, ich müde und verschwitzt war. d) ich mich in zentrischen Kreisen bewegte. e) Der Campus RIESENGROSS ist..!
Was also tun? Ich frage jemanden. Und siehe da, die junge Frau versteht nicht nur was ich will (Na gut, den Plan in der Luft rumwedeln und „Village 5“ grunzen war vielleicht keine linguistische Meisterleistung und man braucht nicht Einstein zu sein um zu erraten, was wohl mein Problem ist, aber lassen wir das mal bei Seite.), nein, sie begleitet mich sogar und zieht einen meiner Koffer. Sie weiss allerdings auch nicht so genau, wo sich die Village 5 befindet, aber sie fragt mehrere Leute und zusammen finden wir es. Ab und zu versuchen wir sogar, uns zu unterhalten, aber dank meinen beschränkten Sprachkenntnissen verstehen wir nicht wirklich, was der jeweilig andere sagen will und begnügen uns die meiste Zeit mit Kofferziehen und Schwitzen. Schliesslich landen wir in der Village 5, die kein Gebäude ist, sondern vielmehr aus mehreren Häusern besteht (So im Nachhinein scheint das logisch, heisst ja auch village und nicht maison, aber eben, nachher ist ja immer alles klar.) und sie verabschiedet sich.
Dort finde ich dann (erstaunlicherweise) alleine das Sekretariat, wo ich meinen Schlüssel für das Zimmer und einen neuen Plan, nämlich den der Village 5 bekomme, und ich mache mich (mal wieder) auf den Weg. Ich finde das Gebäude ‹AH› sogar sofort und trage meine Koffer einzeln die gefühlten 500 Stufen hoch. Ja, es ist das oberste Zimmer im 4. Stock.
Es ist ein Dach über dem Kopf. Nicht viel mehr und auch nicht weniger. In meinem Zimmer steht ein Bett, ein Schreibtisch mit Stuhl und Tablare, auf die man seine Sachen verteilen kann. Und ich habe meine eigene Toilette – und seit ich sie gereinigt und Klopapier gekauft habe, ist sie sogar benutzbar. Ich würde mich jetzt nicht direkt als jemanden mit einem Putzfimmel beschreiben, aber sogar ich fand das Zimmer ein wenig dreckig und das erste, was ich mir gekauft habe, waren daher Staubtücher und ein Putzlappen. Sowie ein Duftspray – es hat ja seine Vorteile, wenn die Toilette quasi im gleichen Zimmer steht, aber … Eine eigene Dusche zu haben ist ziemlicher Luxus, auch wenn es etwas schade ist, dass ich jedes Mal, wenn ich sie benutze, den ganzen Raum flute. Bisher konnte ich noch nicht herausfinden, wie sich das vermeiden lässt – ich glaube, es liegt für einmal gar nicht so sehr an mir und meiner Ungeschicklichkeit.
Daneben gibt es noch eine Küche, die ich mit vier anderen teile, aber ich habe bis dato noch nichts darin gekocht. Vielleicht liegt es daran, dass ich Angst habe, mir eine Lebensmittelvergiftung zu holen oder weil die einzige Pfanne ein Loch hat. Auch sonst ist nicht wirklich Besteck oder Geschirr zu finden. Was bin ich froh, hab› ich mein gutes altes Schweizer Sackmesser dabei! Der Frigo ist eine Mischung zwischen Eisfach und Kühlschrank, da die Tür zum Eisfach kaputt ist. Das hat zur Folge, dass alle ’normalen› Lebensmittel, die man so im Kühlschrank verstaut wie Milch, Käse und Yoghurt gefrieren und diejenigen, die man in’s Kühlfach legt, beispielsweise Eiscreme oder Tiefkühlgemüse, auftauen. Naja, das Resultat davon ist, dass meine Mahlzeiten ziemlich beschränkt sind und ich zum Frühstück Milch aus der Tüte (wenn sie noch nicht gefroren ist) trinke und Brot über dem Waschbecken verspeise. Ahhh, die Franzosen… das nenn ich doch mal ’savoir vivre›!
Und ja, ich weiss, dass ich ein verwöhntes Goof bin, das müsst ihr mir nicht sagen, ist beim Schreiben schon mitgedacht!;)
Wow, es gibt echt viele Läden in Bordeaux. Ja, ich weiss. Es ist ne Stadt, es gibt Läden, krieg› Dich ein! Aber wenn man in einem Dorf wohnt, in dem es nicht mal ne Post gibt… keine Ahnung, es ist toll! Und es hat so cooles Zeug, ich würde am liebsten alles kaufen! So schöne Kleider (wirklich Kleider, ich meine so Röcke…). Und 2 Euro Shops in denen ich irgendwie immer den beinahe unwiderstehlichen Drang verspüre, nach dem Preis zu fragen… Lustige kleine Bistrots und Restaurants in die ich mich fast nicht reintraue, weil es mir vorkommt, als würde ich ohne zu klingeln bei jemandem zu Hause einkehren.
Ich habe mir jetzt auch eine französische Telefonnummer besorgt. (0033 6 25 07 80 37) Der Typ im Laden hat dann ein bisschen mit mir geredet und eins kam zum anderen und er hat gefragt, was ich morgen mache und ich habe gesagt nichts, also haben wir beschlossen uns zu treffen. Ich dachte nicht, dass er sich melden würde (es war mir auch relativ egal), aber er hat mir tatsächlich eine SMS geschrieben und mir ist eingefallen, dass er mir ja das Telefon verkauft hat – also hatte er natürlich meine Nummer. Wir haben uns verabredet ‹pour un verre› und ich habe mir schon so gedacht, okay vielleicht bin ich jetzt gerade sehr naiv. Muss ich ihm wohl noch sagen, dass ich absolut kein Interesse an ihm habe? Also er kann mir die Stadt zeigen und wir können ne gute Zeit haben, aber da wird sicher nichts laufen. Ich hoffe, das ist klar.
Zur Sicherheit habe ich extra noch im Dictionnaire nachgeschlagen, was Freundschaft, Treffen und ‹Date ‹heisst. (Rendez-vous ist irgendwie kompliziert, jede nur denkbar mögliche Verabredung ist ein Rendez-vous hier. Ich hatte zum Beispiel ein Rendez-Vous mit einem Bankangestellten wegen meines Kontos. Das Konto-Eröffnen dauerte übrigens so ungefähr zwei Stunden und der nette Herr hat mir erzählt, dass er in Montreux am Jazz Festival war und Vegetarier ist. Auch gut zu wissen, so was… Ziemlich witzig war, dass ich dann an einem Tag vier Briefe von der Bank bekommen habe, inklusive der Kreditkarte und dem Code dafür. Dann hätten sie das ja gleich in einem Couvert schicken können…viel unsicherer hätts nicht sein können, aber eben, vielleicht bin ich einfach ein zu eingefleischter Schweizer um das nachzuvollziehen.) Also auf jeden Fall kann das Wort Rendezvous nicht das Wort für ‹Date› sein, zumindest wäre es nicht eindeutig genug… Aber ‹Date› war nicht im Dicitonnaire. Dafür habe ich zufälligerweise ‹vergackeiern› (was ja wohl so ziemlich das bescheuerteste Wort überhaupt ist und das ja wirklich kein Mensch braucht (trotzdem hier die Übersetzung: se jouer, se moquer de qn) und ‹Samenbank› gefunden (banque de sperme nur so zur Info). Manchmal ist es schon lustig, was die Leute sich denken, die so ein Wörterbuch schreiben. Vielleicht hat es auch mit der französischen Mentalität zu tun. Da sind solche Wörter halt wichtiger. Jaja, die Klischees lassen grüssen. Aber es hat schon was. Die Franzosen lassen nichts anbrennen, so weit ich das bisher mitgekriegt habe… Ausserdem sind am Grossteil der Slips der Damen beispielsweise die Strapsenhalter schon angenäht, hab› ich gesehen. Auch nicht dumm, dann verrutschts wenigstens nicht und die Farbe passt auch. Eher dumm, wenn man keine Strapsen dazu trägt. Daraus habe ich messerscharf geschlossen, dass frau in Frankreich häufig Strapse trägt. Das ist zwar logisch kein gültiger Schluss, aber … was interessiert mich Logik jetzt noch? (Habe die Prüfung übrigens – ich glaub’s selbst kaum! – bestanden!!)
Äh ja, wo waren wir? Ah ja, dieses Treffen… naja, auf jeden Fall hab› ich gedacht, das ist ja noch cool, dann kenne ich schon jemanden von hier und der kann mir ein paar Sachen zeigen. So, ich bin jetzt ein neuer Mensch! Ich bin offen! Ich lerne jeden Tag neue Leute kennen! Deshalb werde ich jetzt nicht denken, dass er denkt, dass das ein Date ist und nicht gehen, weil ich kein ‹Date› mit ihm will. Wir trinken und essen etwas zusammen und wir werden vielleicht Freunde! Das kommt Dir bekannt vor? Ja, mir auch.
Wir haben uns an einer Tramwaystation verabredet. Es dauerte allerdings eine Weile, bis wir uns gefunden haben. Das hat vermutlich mehrere Gründe. Erstens war ich anders angezogen (normale Jeans & T-Shirt statt ziemlich schönem Kleid) und zweitens hatte ich keine Ahnung, wie er aussieht. Also hatte er Mühe, mich zu finden und ich hatte sowieso keine Chance. Ja, ich weiss. Ich bin schlimm. Ich wusste noch, dass er irgendwie ’normal› aussah, mehr nicht. Das ist ziemlich arm, ich weiss. Ich habe Mühe, mir Gesichter zu merken, oder Orte (man denke an meine Orientierungslosigkeit), oder überhaupt irgendetwas, wenn ich mal darüber nachdenke. Mir fiel ein echt unsympathischer Typ ins Auge der hin- und herlief mit seinem Handy und ich hatte schon Angst, dass er es war, aber ich hatte Glück. Naja, irgendwann hatten wir es doch noch geschafft. Dann sind wir zusammen auf die Terrasse eines Cafés gegangen. Auf dem Weg haben wir geredet und eigentlich war es okay.
Sowieso, was mein Französisch angeht, es ist wirklich erstaunlich, ich komme eigentlich ganz gut zurecht. Zugegeben, Einkaufen ist ja nicht so schwierig solange man Geld hat und Leute fragen, wo man etwas findet geht auch. Aber trotzdem, ich verstehe eigentlich viel, wenn nicht zu schnell gesprochen wird. Also auf jeden Fall komme ich klar, das ist ein gutes Gefühl, ich hatte es mir schlimmer vorgestellt. Die meisten Franzosen (zumindest die, in die ich reingestolpert bin) haben kein Problem, wenn man nicht perfekt Französisch spricht und können auch Englisch. Häufig versuchen sie es sogar auf Anhieb auf Englisch, sobald sie merken, dass man nicht francophone ist. Das versuche ich allerdings zu vermeiden, immerhin bin ich ja hier um die Sprache zu lernen. Also zusammengefasst komme ich in Alltagssituationen recht gut zurecht, kann mich halt noch nicht so gut ausdrücken, respektive höre einfach mehr zu, als dass ich selbst spreche. Könnte auch noch ne angenehme Abwechslung sein, werdet ihr euch jetzt vielleicht denken. Aber freut euch nicht zu früh, ich lerne schnell! Muahahaha!
So, zurück zu diesem Date ohne Date. (Wahrscheinlich sind die ganzen Abschweifungen ziemlich anstrengend zu lesen, was? Aber ich kann und will es gar nicht ändern. Das ist die Freiheit meines lyrischen Ichs und ich koste sie hiermit vollkommen aus! Ich mag Satzkonstruktionen, je hochgestochener und behämmerter, desto besser. Ja ich weiss, ihr auch.)
Äh ja, nach diesem Einschub über Einschübe (was – nur so nebenbei bemerkt – auch ein ziemlich interessanter poetischer Stil ist, wie ich finde. Like a photo of a photohut. That’s art, man! (That 70s Show, ohjeh, ich fange schon an in meinen Idiotenmails (womit ich selbst und nicht ihr gemeint seid) Fussnoten zu setzen und Referenzen anzugeben, jetzt hört bald alles auf!…)
Also auf jeden Fall haben wir etwas getrunken und er hat irgendetwas von einem Kollegen gefaselt, den er vom Bahnhof abholen müsse und wir würden nachher etwas Essen gehen und ob ich mit ihm kommen wolle oder was ich sonst in der Zwischenzeit machen würde. Also zumindest glaube ich, dass er sowas gesagt hat. Ich musste etwa siebenmal nachfragen, es war etwas merkwürdig. Ich meinte noch, wenn ich ihn nerve, könne er es mir sagen, dann würde ich gehen. Aber er, nein nein. Also erklärte ich ihm, dass ich hier warte und er hat gesagt, er ruft an und ist losgegangen. Gegangen? Ich bin nicht ganz sicher, in meiner Vorstellung rannte er geradezu davon. Seither habe ich ihn nicht mehr gesehen. Ich fand das Ganze eigentlich noch ziemlich amüsant, dass jemand wie wild vor mir flüchtet. Woran es wohl lag? Konnte er an den Jeans ablesen, dass ich kein StrapseUnterhosen anhatte und seine Chancen, mich heute Nacht zu knallen gleich Null waren? War ihm mein Französwiss auf die Dauer doch zu anstrengend? War sein Telefon kaputt? (Neeee, die Ausrede kenn› ich! *!!!HUESCHT!!!*) Aber eigentlich war es wirklich in Ordnung, weil es sich sowieso ein bisschen merkwürdig angefühlt hatte.
Ich hatte mein Tagebuch dabei und amüsierte mich köstlich über die Eintragungen dieses Jahres. Für gewisse Passagen, die ich hier jetzt nicht wiedergeben möchte, sollte ich eigentlich einen Nobelpreis gewinnen. Und jetzt hatte ich endlich Zeit, aufzuschreiben, was seit Ende Mai so alles los war. So lange lag nämlich der letzte Eintrag zurück. Das einzige, was ein wenig blöd war, ist, dass ich nichts zu Abend gegessen habe, weil wir uns ja eigentlich dazu verabredet hatten und nachdem ich so lange gewartet hatte, wollte ich mir kein anderes Restaurant mehr suchen. Ich war auch nicht wirklich hungrig (warum weiss der Teufel). Also blieb ich einfach dort sitzen und schrieb und schrieb und schrieb bis ich aufstehen und gehen musste, weil ich nicht das letzte Tram verpassen wollte (und weil ich nicht sicher war, wann das fuhr, stand ich um halb 12 auf).
Naja, das war also mein erstes ‹Date› (ich weiss noch immer kein passendes Wort) mit einem Franzosen gewesen. Ziemlich behämmerter Typ. Besonders wenn ich ihm sage, dass ich schon gehen würde, aber ’nein nein›. Äh? Wär doch viel leichter gewesen, oder? Dann hätte er sich nicht noch mühsam eine Ausrede ausdenken müssen. Naja…zumindest hat er mir etwas zu trinken bezahlt. Trotzdem: Next!
Also das ist eigentlich alles am ersten Wochenende passiert. Nachher hatte ich ja diesen Sprachkurs am DEFLE und eigentlich kaum je Zeit für irgendetwas. Das lag nicht unbedingt daran, dass ich so wahnsinnig viel gebüffelt habe, wie ihr euch vielleicht vorstellen könnt… Aber es war doch eine sehr SEHR amüsante Zeit! Wir wurden in drei Klassen aufgeteilt. Die Niveaus innerhalb der Klassen waren aber auch schon recht unterschiedlich. Es ging praktisch von blutigen Anfängern, die kaum ein Wort Französisch sprechen konnten über zu solchen Studenten, die seit vier Jahren in Frankreich lebten und die spezielle Briefformeln für ihre Korrespondenz mit den Ministerien lernen mussten. Schon am ersten Abend bin ich mit ein paar anderen essen gegangen und seit da war eigentlich immer jemand – oder besser gesagt viele – um mich herum und ich war dauernd beschäftigt. Das war mal sehr erfrischend und anders, als ich es normalerweise kenne. Manchmal aber auch ein wenig anstrengend, besonders wenn wir zu zehnt durch die Strassen gelaufen sind und uns nicht entscheiden konnten, was wir jetzt machen wollten. Da brauchte ich manchmal dann doch eine kleine Auszeit von dem ganzen Rummel.
Ich mag übrigens immer noch keinen Wein, obwohl ich ihn fast jeden Abend probiert habe (ist hier sehr billig, aber ich mag lieber was anderes. Äh ja, Alkohol ist in Strömen geflossen. Es ist nicht verboten, draussen zu trinken also könnt ihr euch unsere abendliche Aktivität ungefähr vorstellen…). Aber ich war wie immer ein braves Mädchen, hab› auf die anderen aufgepasst und mich gut benommen!:) Naja, einmal habe ich versucht mit einem Pappbecher Regentropfen einzufangen, um ein scheussliches Getränk zu verdünnen, aber das war vermutlich auch das Dümmste, wozu mich der übermässige Alkoholkonsum verleitet hat. Und das zählt ja nicht wirklich, oder? Auf jeden Fall war es jeweils eine ziemlich lustige Gruppe und ich hatte Glück, dass ich die einzige Schweizerin war, so hatte ich gar keine Chance, Schweizerdeutsch zu sprechen. Also eigentlich gabs nur Französisch oder Englisch (oder Spanisch, aber das beherrsche ich ja nicht wirklich). Es war jeweils recht witzig, wenn wir uns in unserem Kauderwelsch unterhalten haben und manche Leute im Tram uns darauf hinwiesen, wie man denn jetzt das Wort ’souper› richtig ausspricht.
Man kann sich unsere Kommunikation so ungefähr wie eine nie endend wollende Runde Activity vorstellen, wobei für jeden Satz alles erlaubt ist (Zeichnen, Erklären und Pantomime). Besonders schwierig, wenn die Amerikaner ihre schwachen fünf Minuten hatten und partout kein Englisches Wort hören wollten (was ja eigentlich gut ist, wir sind ja in Frankreich), aber erklär mal „l’eau“, wenn der Grundwortschatz des anderen nicht wirklich über ‹vin rouge›, ‹briquet› und ‹moi› hinausgeht…
Unzählige Unterhaltungen, die so ähnlich verliefen (man muss sich dann meinen Schweizer Akzent und den amerikanischen Akzent vorstellen, dazu kommen meistens noch fünf andere Austauschschüler, die auch noch versuchen zu erklären…)
„blablabla d’eau blablabla“
„Qu’est-ce que c’est „d’eau“?“
„On peut le boire.“
„C’est du vin?“
„Non. Dans l’océan par exemple il y a beacoup d’eau.“
„Qu’est-ce que c’est l’océan?“
…
(sehr, sehr viel später)
…
„Ah tu ‹mean› ‹oooh’“
„Non, d’eau!“
„That’s what I just said!“
„Okay, laisse tomber…“
Ein weiterer Grund, wieso ihr dieses Mail erst jetzt kriegt, ist, dass ich selten Internetzugang habe. Der Computerraum der Sprachschule war genau dann offen, wenn wir Kurs hatten, also gestaltete sich das ein wenig schwierig… Leider habe ich niemanden kennengelernt, der auch in Bordeaux studiert. Die meisten sind bereits wieder nach Hause gegangen oder reisen sonst noch ein wenig durch die Gegend. Das ist schade, aber auch nicht weiter verwunderlich.
Wegen Streiks fängt das Semester nämlich erst im Oktober an, also dümple ich hier noch ziemlich lange rum ohne wirklich etwas zu tun zu haben. Auch lustig. Das heisst, falls ihr Lust und Zeit habt nach Bordeaux zu fahren, ihr seid herzlich willkommen.
Ich denke, ich werde mir wohl bald eine Arbeit suchen. Zuerst sollte ich mich aber um eine Wohnung kümmern. Ich habe schon viele gesehen, aber bisher hat mir erst eine wirklich gefallen und ich hoffe, dass ich die kriege. Einen Ofen hat es zwar nirgends, aber das ist hier glaube ich normal. Auf jeden Fall geht es mir sehr gut hier. Die Stadt ist schön und bisher hatte ich auch schon sehr viel Spass. Ich freue mich sehr hier noch so lange bleiben zu können!:)
Also, das wär’s mal so weit von mir. Machts gut und tut nichts, was ich nicht auch machen würde!