To brie or not to brie – Abenteuer in Bordeaux Teil II

Le deuxième (Ap)part

Salut mes Poulets!

(Ich habe den Ausdruck in einem Frauenmagazin gelesen, habe es aber da eher als ‹Freund› (im Sinne von ‹petit ami› siehe unten…) interpretiert. Und Julien, ein Franzose, den ich in Australien kennengelernt hatte und vor ein paar Wochen besuchte, hat mir gesagt, dass er den Ausdruck auch für seine Kollegen verwendet. Ich bin also nicht wirklich sicher, was ‹poulet› jetzt genau bedeuten soll. Aber der Ausdruck hat sich in meine Gehirnwindungen eingebrannt, vermutlich weil er so lustig (und für mich irgendwie daneben) klingt! Also: )

Salut mes poulets!
Beim nochmaligen Durchlesen der folgenden Nachricht ist mir aufgefallen, dass sie wieder mal ziemlich lang ist. Vielleicht müsste ich mal Unterkapitel machen, dann könntet ihr die uninteressanten Teile einfach überspringen (Obwohl es die hier natürlich gar nicht gibt! Püh, ich und etwas Banales, gar Langweiliges schreiben!). Aber dann wären meine ganzen schönen Übergänge zur Sau. Und das wäre doch schade. Ausserdem wäre es ziemlich schwierig mit den ganzen Ausschweifungen und so. Aber ich mache trotzdem mal eine kurze Übersicht, was euch erwartet:

  1. Gedanken über Baguettes
  2. Kochen mit Couscous für Anfänger
  3. Flirtmethoden, die es zu vermeiden gilt; Wortspielereien und Busfahren mit einem Goldschmied (oder Flirtmethoden, die es zu vermeiden gilt Teil 2)
  4. Einmal Mairie und zurück
  5. Home Sweet Home
  6. Gib Gas! (Oder Strom)
  7. Es wird heiss!

Gedanken über Baguettes

So. Wie krank ist es eigentlich für eine Mail ein Inhaltsverzeichnis zu machen? Aber ich werde jetzt nicht darüber nachdenken, sonst werde ich hier nie mehr fertig. Also viel Spass beim Lesen.

Als modisches Accessoire trägt Madame oder Monsieur statt Seidenfoulard oder Gucci-Sonnenbrille in Bordeaux ein farblich auf den Lidschatten oder die Schnürsenkel abgestimmtes Baguette. Es gibt auch eine riesige Auswahl an unterschiedlichen Baguettes… natürlich klassisch mit Weissmehl, aber auch mit Kernen, Körnern, dunklem Mehl, biologisch hergestellt, mit Sojamehl, Haferkleie oder mit Nüssen und Rosinen… Dieses Gebäck gehört zum alltäglichen und selbstverständlichen Strassenbild hier. Um nicht sofort als Ausländerin aufzufallen, trage ich immer ganz stolz eins mit mir rum und fühle mich dabei sehr französisch. Schmeckt auch superlecker, so’n Baguette!:) So versuche ich mich allmählich an die französische Lebensart zu gewöhnen. Etwas anderes Kleines, was es in Frankreich immer gibt: Wenn ich ein Dokument oder einen Vertrag unterschreibe, muss ich unten immer selber (ganz wichtig: eigene Handschrift!) „lu et approuvé“ vermerken. Oder das bezahlen mit Cheques ist hier auch noch sehr bekannt. Ich musste mir auch ein Chequeheft zulegen, um die Miete bezahlen zu können. Das kommt mir ganz schön ‹Spanisch› vor, besonders weil ich mir Leute mit Cheques immer sehr reich (und amerikanisch) vorgestellt habe. Das trifft nicht unbedingt auf mich zu, auch wenn ich im Moment noch flüssig bin und Peanutbutter abgöttisch liebe (ich habe auch extra ein Kilo aus England importiert als ich Daniela besucht habe, weil das Zeug hier so teuer ist).

 

Kochen mit Couscous für Anfänger

In der Küche von dem Studentenheim hatte ich dann doch noch zweimal gekocht, als ich noch da wohnte. Beides Mal Couscous. Das war auch noch interessant, da ich das eigentlich noch nie gekocht (oder gegessen) habe. Schmeckt aber ziemlich gut und man braucht auch überhaupt nicht viele andere Dinge dazu, was mir gerade sehr entgegenkam. Naja, beim ersten Mal habe ich natürlich viel zu viel gekocht. Auf der Packungsanleitung stand 100 Gramm für ein Hauptgericht. Aber ich habe natürlich keine Küchenwaage dort, alleine der Gedanke daran ist absolut lächerlich. Dann habe ich es halt mit einer ziemlich grossen Tasse abgewogen.

Die Tasse hat mir Nicholas, ein Engländer aus der DEFLE Gruppe, nach seiner Abreise überlassen. Und seine Teebeutel noch dazu. Überhaupt war er SEHR englisch. Er hatte sogar ein Bügeleisen dabei, damit seine Hemden immer schön aussehen. Kommt wohl davon, wenn man mit dem Prinzen von Belgien und Monika Lewinsky im selben Seminar hockt… Nee, der Nicholas war echt ein lustiger Typ und er hatte diesen absolut hochkarätigen englischen Akzent, aber er war trotzdem nicht snobisch oder so. (Im Gegensatz zu einer Engländerin, die uns mal in einem Café angesprochen hat. Sagt die doch in allem Ernst zu uns: „I’m not posh, I took the bus once!“ …)

Auf jeden Fall stellt diese Tasse dort  mein mein einziges Küchenequipment dar, das wirklich mir gehörte. Da ich vorher Schwimmen war hatte ich grossen Hunger und kippte gleich zwei volle Tassen rein… Naja, schon eine Tasse voll Couscous-Körner ist ziemlich viel und zwei ist dann schon ein hartes Stück Arbeit. Das saugt sich ja dann voll, das hatte ich irgendwie nicht bedacht. Zumindest hat mich dieser faszinierende Vorgang des Aufquellens dann zu dem interessanten Gedanken inspiriert: Das Leben ist wie Couscous! Oder zumindest ich werde bald aussehen wie ein zubereitetes Couscous-Körnchen wenn ich nicht aufpasse mit den Mengen – und den vielen leckeren Baguettes. Naja, aber kneifen ging trotzdem nicht, das musste alles weg. (Ich frage mich gerade, ob man das statt mit Bouillon oder Wasser auch mit Milch machen kann. So Milch-Couscous. Stell ich mir jetzt noch cool vor. Werde ich dann mal versuchen. Eine weitere interessante kulinarische Kreation…)

Wie die ganz Scharfsinnigen (die dazu noch ein gutes Gedächtnis haben) unter euch vielleicht bemerkt haben, habe ich letztes Mal gelogen. Naja, ‹lügen› ist so ein hartes Wort, sagen wir geschwindelt. Und es war nur im Interesse des dramatischen Flusses meiner Erzählung, also zählt es eigentlich nicht. Aber die ganz Schlauen werden wohl korrekt gefolgert haben, dass, da ich Couscous gekocht habe, es wohl eine funktionsfähige Pfanne in der Küche gegeben haben muss. Also hier werde ich euch gestehen: Es hat nicht nur eine Pfanne, die ein Loch hat. Es hat zwei und sie haben auch (noch!) kein Loch. Naja, zumindest normalerweise hat es zwei. Aber als ich zum zweiten Mal Couscous gekocht habe, hatte irgendwer wohl die normale Pfanne ins Zimmer genommen, darum musste ich dann Couscous in der Bratpfanne machen. Ich war dann sehr experimentierfreudig und habe gedacht, wenn schon denn schon und ich versuchte das Couscous anzubraten. Das ging aber nicht, dafür wurde die Platte nicht heiss genug. Nur schon um das Wasser heiss zu machen dauerte es eine knappe Stunde (jetzt ohne zu übertreiben), aber ‹kochend heiss› kannst du glatt vergessen.

Einmal haben ein paar Unwissende und ich doch tatsächlich die Verrücktheit besessen, die zwei Herdplatten auf einmal anzustellen um uns beider Pfannen zu bedienen. Ganz blöder Fehler, da hatten wir dann nämlich Stromausfall im obersten Stock. Dann sind so Heinis von der Administration der Village 5 gekommen und haben die Sicherung wieder reingetan (wir konnten das nicht selber, weil der Schrank abgeschlossen ist). Wir mussten die nicht mal holen gehen oder anrufen, die kamen ganz von selbst und auch innerhalb von zehn Minuten, ich war echt beeindruckt.  Naja, das passiert hier scheinbar fast jeden Tag, also ist es auch nicht wirklich verwunderlich, dass sie sofort zur Stelle waren. Als sie fertig waren meinten sie, dass es jetzt wohl wieder gehen sollte und haben sich verabschiedet. Wir haben es dann nochmal versucht und dann ist der Strom natürlich nochmal ausgefallen. Die waren ganz schön sauer, dass die wieder herkommen mussten… sie haben uns dann den Drehknopf von der einen Platte weggenommen!:( Tja, dann gab’s halt wieder gefrorenes Yoghurt und was nach dem ganzen in der Stadt zur Schau Herumtragen vom Baguette noch übrig geblieben war.

colaunfall
*seufz* Lustig ist das Studentenleben, faria faria ho!

Eines schönen Abends hat auch jemand ne Coladose in meinem Fach des Kühlschrankes verstaut. War ne super Idee – wie wir ja alle schön brav in der Schule gelernt haben, hat Eis eine grössere Oberfläche als Wasser (oder sowas in der Art; falls euch diese allfälligen Fehler stören, bitte ich euch, mich nicht darauf hinzuweisen, denn es nützt genau so viel wie wenn ihr sie addiert und das Resultat mit dem Erdumfang geteilt durch das Gewicht eines schwangeren Blauwals multipliziert, nur nervt mich Letzteres weniger) – und die Sauerei am nächsten Morgen war beträchtlich. Also waren meine ganzen Lebensmittel mit Cola verseucht – und den Kühlschrank musste ich auch noch putzen. (Naja, das hat sicher nicht geschadet. Der war vermutlich seit 1997 nicht mehr so sauber.) Erdbeer-Cola Yoghurt ist schon nicht so jedermanns Sache, aber man muss dem Ganzen zu Gute halten, dass es zumindest Cola Zero war und ich wenigstens nicht viele Kalorien zu mir genommen habe. Also wirds ja vielleicht doch noch etwas länger dauern mit der Verwandlung in ein Riesen Couscous. Immer das Positive sehen! Mir als eingefleischtem Optimisten fällt sowas natürlich besonders leicht.

 

Mittlerweile bin ich in der neuen Wohnung und dank den Boxen auch Musik. Auch auf der Strasse kommt Musik immer gut. Je lauter, desto weniger ‹Mademoiselle›. Gut, ‹Mademoiselle› ist ja noch heilig. Zum Glück versteh› ich nicht alles. Möglicherweise fühle ich mich auch immer betroffen, weil ich nicht viel verstehe und eigentlich geht es gar nicht um mich. Manche Wörter … hmm … das sind  dann eigentlich gar keine Wörter, sondern eher Geräusche … sind wohl international. Aber manchmal frage ich mich schon, eben, ich weiss nicht, ob mir das hier einfach mehr auffällt, oder weil ich nicht an die Stadt gewöhnt bin oder was weiss ich … Zumindest meine ich, es passiert häufig, dass die Männer versuchen einen anzumachen.

Flirtmethoden, die es zu vermeiden gilt ; Wortspielereien und Busfahren mit einem Goldschmied (oder Flirtmethoden, die es zu vermeiden gilt Teil 2)

Vielleicht bin ich ja bescheuert. Aber ist das Ziel einer Anmache nicht ein Flirt, ein Kennenlernen, ein erstes Anbändeln, vielleicht auch einfach der Wunsch nach Sex mit dem anderen? Gut. Und wann in der gesamten Menschheitsgeschichte hat es schonmal funktioniert, dass frau sich nach einem Mann umdreht[, der (am besten mit ein paar Kumpels dasitzt und (zusammen mit ihnen)) irgendwelche unartikulierten Laute von sich gibt und höchstens noch ein ‹Mademoiselle, sexy, Mademoiselle› zu Stande bringt, wenn sie vorbeigeht], sich die Kleider vom Leib reisst und ihn zum sofortigen Geschlechtsverkehr auffordert? (Sorry, der Satz ist jetzt ziemlich lang, kompliziert und verschachtelt. Man muss ihn vielleicht mehrmals lesen um die eigentliche Genialität, die darin steckt, zu würdigen.) Obwohl ich das nicht wissenschaftlich belegen kann, bin ich sicher, dass der Prozentsatz der Frauen, die so reagieren, verschwindend klein bis nichtexistent ist. Die Geschichte wäre sogar zu banal für einen Porno. Wenn ich mir das so überlege, würde ich es eigentlich gerne mal testen. Ha! Die würden ein blödes Gesicht machen! Vielleicht kriegen sie sogar Angst! Aber wenn nicht, habe ich dann ein grösseres Problem. Naja, auf jeden Fall ist es doch merkwürdig, dass an einer Taktik festgehalten wird, die so ganz und gar ineffizient ist. Was mich dazu bringt zu vermuten, dass damit wahrscheinlich ein anderes Ziel verfolgt wird.

Aber was? Sex kommt nicht in Frage, das haben wir ja jetzt hoffentlich geklärt. Spass? Aber was daran ist lustig? In den meisten Fällen wird die Frau die Idioten wohl ignorieren. Vielleicht wird sie sich ärgern. Okay, Leute ärgern kann schon ganz witzig sein. Aber geht es nicht ein bisschen raffinierter? Ausserdem: Wenn ich die Wahl hätte, ob ich einen Typen der mir gefällt ärgern oder flachlegen könnte, würde ich wahrscheinlich Zweiteres wählen. Oder beides. Aber Ersteres lässt sich eher selten mit Letzterem verbinden. Oder nein, das stimmt nicht. Man muss nur die richtige Reihenfolge beachten, dann klappt das schon. Und ja, vielleicht ist das nicht dasselbe. Immerhin schaue ich dem Typen auch mal ins Gesicht, bevor es mir auch nur in den Sinn kommt, ihn anzusprechen. Wohingegen Männer scheinbar schon der Anblick eines Rocksaumes aus der Entfernung von einigen hundert Metern dazu veranlasst, mit ihrem Pfeifkonzert zu beginnen. Da können sie ja noch nicht mal wissen, ob das ein nettes Schulmädchen oder ein alter Schotte ist, der da langmarschiert. Vielleicht ist ihnen das ja auch schnuppe, aber wenn sie dann einen schwulen Schotten im Nacken haben, werde ich mich zur Abwechslung mal über sie lustig machen.

Einmal bin ich zur Post gegangen und da hat mich so ein Junge angesprochen und er hat mir seine Nummer gegeben. Dieses Mal habe ich dann gleich von Anfang an gesagt, dass ich keinen ‹petit ami› suche.

Da muss ich jetzt wieder einen Einschub machen. Die sagen doch tatsächlich ‹petit ami›. Das ist jetzt ein Ausdruck von dem ich immer überzeugt war, dass wir das einfach so in der Schule gelernt haben und kein Mensch das wirklich sagt. (Kein Mensch sagt zum Beispiel ‹bon marché› hier, die sagen immer ‹moins cher›. ‹Bon marché› ist zwar richtig, aber das ist wahrscheinlich wie ‹vergackeiern›. Das Wort existiert zwar, man kann sich auch was drunter vorstellen, aber benutzen würde man es trotzdem nie.) Naja, zumindest heisst es also wirklich ‹petit ami› für Freund (im Deutschen ist es ja irgendwie auch nicht so ganz eindeutig. Aber wenn man als Frau sagt, dass man einen Freund hat, gehen die meisten Leute wahrscheinlich schon davon aus, dass ‹der› Freund gemeint ist – und lassen einen hoffentlich in Ruhe. Ausser man sieht so aus, als hätte man nur einen einzigen Freund auf der Welt. Hmm, vielleicht hat das bei mir drum in Australien nie klappen wollen, wenn ich jeweils gesagt habe, ich hätte einen Freund… Langsam wird mir alles klar! Nee, so’n Scheiss, das war ja Englisch. Ich schweife schon wieder ab!). Also, in Frankreich ist’s laut meinem aktuellen Wissensstand entweder petit(e) ami(e) oder copain / copine, aber das ist dann auch nicht ganz eindeutig… Schwierig, diese ganzen Wortklaubereien… Aber schon noch interessant, finde ich. Hatte irgendwie den Gedanken: Je n’ai pas besoin d’un petit ami. J’ai besoin d’un grand ami! Was jetzt bitte nicht zweideutig verstanden werden sollte. (Nein, diesmal wirklich nicht!) Vielleicht wäre ‹J’ai besoin d’un bon ami.› besser, zumindest wäre das die Bedeutung, die ich dem Satz geben wollte. Aber dann wär’s nicht mehr lustig, weil’s dann keinen Sinn macht mit dem petit/grand respektive bon. Überlegt ihr euch eigentlich auch manchmal solches Zeug? Und ich nehme noch nicht mal Drogen!

Äh ja, mal wieder zurück zu dem Typen vor der Post. (Irgendwie laufen diese Geschichten immer genau gleich ab, nicht? Das erspart euch aber nicht eine weitere, ermüdende, langwierige Beschreibung aller Umstände und Gedanken meinerseits. Muahahaha!) Er hat dann gefragt, ob ich schon einen Freund (also petit ami! Dann hat sich der ganze Einschub über den Ausdruck wenigstens in meinen Augen gelohnt) habe und ich habe gelogen und ja gesagt… (Huch, mir fällt gerade auf, wieviel ich lüge! Wahnsinn! Und wir reden ja hier nur von dem, was mir bewusst ist – und was ich zugebe…) Und das war ihm dann egal, hat er behauptet. Während wir geredet haben, habe ich sogar versucht mir zu merken, wie er aussieht. Nicht, dass ich wieder dastehe wie ein Esel. Ich gebe mir also schon Mühe, wie ihr seht. Ja er hat dann gesagt, ich soll ihm unbedingt schreiben und wir trinken morgen was zusammen.

Am übernächsten Tag wollte ich dann ins Kino gehen mit Anne-Sophie einem Au-Pair von Österreich, die ich mal per Zufall getroffen hatte. Durch sie habe ich dann ein paar andere kennengelernt, vor allem Engländer und einen Franzosen, die Couchsurfing in Bordeaux machen. Die habe ich auch alle angeschrieben, ob sie mitkommen wollen. Naja, auf jeden Fall dachte ich mir, da kann der andere ja meinetwegen auch mitkommen und habe ihm ne SMS geschickt. Er hat dann aber nicht geantwortet und am Ende konnten nur Anna Sophie und ich ins Kino gehen. Nach dem Kino sind wir noch so ein  bisschen spaziert und haben geredet und plötzlich kommt der doch mit einem Kollegen von ihm an und fängt uns an zuzuschnorren…
Ah keine Ahnung, das war echt nervig, wir hatten gerade ne interessante Unterhaltung und bäh, war einfach mühsam. Ja und er hätte mich heute schonmal an der Bushaltestelle gesehen und sorry, dass er nicht zurückgeschrieben hätte und was weiss ich noch alles und ich solle mich unbedingt melden, er helfe mir dann beim Umziehen und … keine Ahnung. Ich fands irgendwie… beunruhigend. Wieso hat der mich schon an der Bushaltestelle gesehen? Wieso taucht er jetzt einfach auf? Und wieso willst du mir unbedingt mein Umziehen helfen? Keine Ahnung, war irgendwie blöd, so ne Mischung aus Unbehagen (verfolgst du mich oder was?) und Mitleid (du interessierst mich wirklich nicht!). Also er hat mir nicht wirklich Angst gemacht es war mehr so… er war irgendwie so anhänglich und … ‹bemüht›, aber das hat mich dann total genervt.
Wir wollten die auf jeden Fall einfach nur noch loswerden (das war ziemlich merkwürdig, wie wir uns auf Französisch mit denen (ein wenig gezwungen) unterhielten und auf Deutsch darüber debattiert haben, wie wir jetzt am besten die Fliege machen… Naja, wir haben dann gesagt, dass Anne-Sophie nach Hause muss, Kinder hüten und ich begleite sie (Ha, daran kann man ablesen, dass der mich überhaupt nicht kennt. Ich und jemanden begleiten um auf Kinder aufzupassen, was für eine absolut abartige Idee!).

Ja, ich habe schon ein bisschen ein schlechtes Gewissen. Noch ne Lüge. Ich weiss jetzt auch nicht, was ich machen soll, wenn der mich nochmal anruft oder schreibt. Ich glaube, beim ersten Mal nehme ich einfach nicht ab. Aber nachher muss ich vielleicht schonmal. Aber scheisse, was sagst du da? Äh, sorry, aber du nervst. Ich war noch müde, als ich dich kennengelernt habe und da ist mir entgangen, dass du eigentlich nicht sympathisch bist. Beim ersten Mal gings noch, aber nachher… Und dass der mich so unbedingt sehen und mir beim Umziehen (und wir reden hier von Kisten schleppen, also bitte!) helfen will… Hast du keine eigenen Kollegen?

Keine Ahnung, ich finde mich selbst ganz doof. So lerne ich ja nie jemanden kennen, ich bin ja eigentlich diejenige, die keine Kollegen hat hier (und der die Leute zutrauen, dass sie nur einen einzigen Freund hat, wie wir vorhin gesehen haben…)… Ich bin halt ein wenig schizophren. Nee schizoid heisst das. (Da hat sich die Therapie aber wirklich gelohnt, und wenn’s nur ist, dass ich jetzt diesen Unterschied machen kann!) Ich will zwar Leute kennenlernen, aber nicht die, die mich kennenlernen wollen. „Dä Hans im Schnäggäloch, dä isch mit mir verwandt…“ 
Was lerne ich denn jetzt aus dem ganzen Scheiss? Wie sagt man nett, aber bestimmt „Nein, kein Interesse!“? Ignorieren kann ich die Leute ja recht gut, wenn ich einfach rumlaufe, aber sobald du dich mal auf’n Gespräch eingelassen hast…und wenn’s nur darum geht, dass einem jemand erklärt, wo die nächste Bushaltestelle ist…

 

So passiert gestern. Ganz freundlich hat mich der mittelalterliche Herr sogar direkt dahin geführt. Und natürlich haben wir ein bisschen gesprochen. Er ist Goldschmied und Single. Aha, da fängts ja schon an. Und wenn ich Zeit habe können wir ja einen Café trinken. Ich lehne höflich ab (ich kann ja nicht so sein, immerhin habe ich ihn nach dem Weg gefragt und er hat ihn mir gezeigt.) Ich weiss nicht, wo genau das Problem liegt. Vielleicht bin ich einfach zu ’nett› (ich sehe, wie ihr lacht!). Aber mal ehrlich: Jemanden zu irgendwas einladen braucht ja doch ein bisschen Mut und wenn der andere einen dann runterputzt ist das ja echt fies und beide kommen sich ganz dreckig vor. Also bedient man sich mit vorsichtigen Ausreden, damit sich beide nicht zu genieren brauchen und sich ohne grössere Blessuren aus der Affäre ziehen können (zumindest finde ich, dass man das so macht. Das gehört zum guten Ton. Und wenn das von mir kommt, heisst das ja wahrscheinlich etwas, da ich glaube ich nicht gerade als besonders taktvoll bekannt bin…) Aber die Message sollte ja trotzdem klar sein. Wenn ich ja Lust hätte, aber keine Zeit würde ich einen anderen Termin vorschlagen oder so, nicht? Als endlich der Bus kam und ich mich schon erlöst verabschieden wollte, ist ihm zufälligerweise in den Sinn gekommen, dass er ja denselben Bus nehmen könnte… Eigentlich sollte man meinen, dass Männer auch ein gewisses Feingefühl besitzen was Absagen betrifft. Einen Satz wie „Du kannst mir Deine Telefonnummer schon geben, wenn du unbedingt willst, aber ich werde dich nicht anrufen.“ sollte man nicht mehrmals wiederholen müssen. (Na gut, ich weiss nicht, was ‹unbedingt› auf Französisch heisst, aber den Rest habe ich schon hingekriegt.). Nachdem wir beide bei meiner Bushaltestelle ausgestiegen sind und ich ‹unbedingt› einkaufen gehen musste, ist er dann endlich gegangen (nicht ohne mir noch ein letztes Mal seine Telefonnummer anzubieten). Die Ausrede war ziemlich blöd, weil ich eigentlich ganz dringend auf’s Klo gehen musste, aber nicht wollte, dass er mir bis nach Hause folgt. Und weil ich Angst hatte, dass er noch draussen rumstehen könnte, hat es dann auch eine halbe Stunde gedauert, bis ich mich endlich mit zusammengekniffenen Oberschenkeln für eine Sorte Mehl entschieden hatte (Vollkorn, Carrefour Discount für 1.33 Euro).

 

Einmal Mairie und zurück

Es gibt mehrere Informationszentren für Jugendliche in Bordeaux (CIJA). Ich war auch schon öfters da und habe mir die verschiedenen Ordner angesehen. In einem Ordner über Arbeit habe ich dann gelesen, dass ich mich, wenn ich hier arbeiten will, innerhalb von drei Monaten nach meiner Ankunft im Rathaus melden muss, um mich einzuschreiben. Um ganz sicher zu gehen habe ich noch eine Angestellte des Informationszentrum gefragt und die hat mir dann erklärt, wo die ‹mairie› oder das ‹hôtel de ville› (Ich habe immer gedacht, das sei ein Hotel! Und ich habe schon gedacht, es sei komisch, dass es überall gleich heisst, aber dann dachte ich, das sei halt so ne Tradition. Wie in der Schweiz wo jedes zweite Restaurant „Pöstli“ oder „Rose“ oder „Sterne“ heisst…) zu finden ist.

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Das «Hôtel de Ville»! Nicht zu verwechseln mit der «Mairie» und / oder der «Préfecture»! (Ich habe den Unterschied immer noch nicht begriffen…)

Ich bin dann dahingegangen und habe mich im Eingang geirrt und bin erstmal in ne Hochzeit reingestolpert, ich konnte gerade noch flüchten, bevor mich die Leute auch noch anfingen zu begrüssen und zu fragen, zu welchem Teil des Brautpaares ich denn gehöre… Naja, es hätte wohl gratis Cüpli gegeben, aber das mag ich ja eh nicht, also habe ich mich wieder rausgeschlichen.

Bei der Anmeldung habe ich dann versucht mein Anliegen zu erklären und ich habe gesagt, dass ich Erasmusstudentin sei, aber auch arbeiten möchte und gelesen habe, dass ich mich jetzt hier innerhalb von drei Monaten bei der mairie anmelden muss. Die Frau war etwas ungeduldig und hat gesagt, sie seien dafür nicht zuständig, es gäbe was anderes für Studenten und dann hat sie mir so einen Plan gezeichnet. Ich war etwas sauer, weil ich ihr versuchte zu erklären, dass ich gerade von diesem Informationszentrum käme und die mir gesagt hätten, ich müsse hierher. „Et maintenant?“ Da habe ich aufgegeben und gedacht, na gut, geh ich halt zurück und kopier mir die Seite raus, wo das gestanden hat. Aber ich habe dann gemerkt, dass sie gar nicht dieses Informationszentrum gemeint hat, sondern die ‹maire pour les jeunes›. War ich froh, dass meine mangelnden Sprachkenntnisse mich davor bewahrt haben, ein riesen Trara zu veranstalten, wie ich es wahrscheinlich sonst gemacht hätte… Nun ja, in dieser ‹mairie pour les jeunes› brachte ich dann mein Anliegen erneut vor.
Ich habe ja gesagt, ich käme ganz gut zurecht mit meinem Französisch. Äh ja, dachte ich zumindest. Was meine Französischkenntnisse betrifft, hängen diese offensichtlich stark von der jeweiligen Situation ab. Wenn die Leute mir etwas verkaufen (oder ihre Telefonnummer andrehen) wollen, spreche ich sehr gut Französisch. Sobald ich etwas von ihnen will, verstehen sie dann plötzlich nur noch Bahnhof.

Am Ende hatte die Frau (die war im Gegensatz zur anderen sehr nett) das Gefühl, ich wollte einen Job beim Bürgermeister… Es war zum Heulen, oder eher zum Lachen. Da hat sie mir lang und breit erklärt, dass das im Moment nicht geht, aber dass ich meinen Lebenslauf vorbeibringen kann und sie suchen erst im Oktober wieder Leute, vielleicht könnte ich ja für die Krippe oder als Putzfrau arbeiten, aber nur von 11:30 bis 14:00 (das hat sie lustigerweise etwa siebenmal wiederholt). Ich habe mehrfach angesetzt, um zu erklären, dass ich keine Arbeit bei ihnen suchte, schon gar nicht zum Kinderhüten, aber irgendwann habe ich aufgegeben, mir alles angehört, gelächelt und genickt und schliesslich konnte ich sogar gehen… Komisch, dass niemand kapiert hat, was ich wollte. Immerhin kann ich nicht der einzige und erste Ausländer sein, der in Bordeaux arbeiten möchte und sich deshalb bei der ‹mairie› anmelden muss…

An einem anderen Tag bin ich dann zurück zur CIJA und habe erklärt, dass ich auf der Mairie war und wie das jetzt ist. Da hat mir ein Herr erklärt, ich müsse nicht zur Mairie sondern zur Préfecture. Die habe ich dann gesucht und auch irgendwann gefunden. Sie war leider umgezogen und als ich dann bei der neuen Adresse angekommen war und mein Anliegen beim Empfang vorgebracht hatte, erfuhr ich, dass diese Abteilung bereits geschlossen war. Also noch ein neuer Versuch am nächsten Tag. Ich habe meine Schuhe verflucht, weil ich eine Stunde in der Schlange gestanden habe. Zum Glück hatte ich ein Buch dabei, um mir die Zeit zu vertreiben. Als ich dann endlich beim Schalter angekommen war, meint die Frau freundlich, ich müsse gar nichts machen, mein Arbeitgeber müsse mich dann bei einer Adresse (die sie mir dann doch notiert habe, weil ich darauf bestand) anmelden. Keine Ahnung, wie ’normale› Franzosen damit zurechtkommen. Ich habe ja Zeit und nichts anderes zu tun als in der Stadt rumzurennen, mich in ellenlange Schlangen zu stellen und nach Formularen zu fahnden, die ich dann eigentlich doch nicht brauche. Wie man das Ganze (kombiniert mit den unmöglichen Öffnungszeiten) in einen normalen Arbeitsablauf (womöglich noch mit Kindern) integrieren soll ist mir schleierhaft. Kennt ihr den Film ‹Asterix erobert Rom› in dem Asterix und Obelix in ein Irrenhaus gehen um den Passierschein A 38 zu holen? Es wundert mich gar nicht, dass die Autoren Franzosen sind / waren.

(Nachtrag aus dem Jahr 2015: Interessant ist auch, dass die Autoren von Asterix und Obelix Uderzo und Goscinny beide keine «ursprünglichen» Franzosen waren sondern aus (wie man es wohl heute ausdrücken würde) Familien mit Migrationshintergrund stammten. Dies schärft wohl den Blick auf die Gesellschaft mit deren spezifischen Macken und Funktionsweisen. Trotzdem immer wieder aufschlussreich, wie sehr «Ausländer» zur eigenen Identität und dem Selbstverständnis eines Staates – selbst derjenigen der GRANDE NATION  – beitragen, nicht wahr? Jetzt wünsche ich mir neben dem Nobelpreis für Literatur einen Preis für die Entwicklung eines der Wichtigkeit und Beliebtheit asterixwürdigen Comics… vor dem Preis müsste ich wohl noch so einen Comic erfinden, aber das ist in meinem Grössenwahn Nebensache.)

Ich freue mich schon darauf, der/die/das CAF zu beantragen. Das ist so ne Wohnngsfinanzierungshilfe für Studenten, auf die ich sehr wahrscheinlich Anspruch habe.

Home Sweet Home

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Strassenschild der Rue André-Dumercq 🙂

Mittlerweile bin ich in mein neues Heim gezogen. Die Adresse ist 8 rue André Dumercq, 33000 Bordeaux. Das sagt euch jetzt wahrscheinlich nichts. Würde mich auch eher wundern. Also es ist ganz in der Nähe vom ‹Place de la Victoire› (was euch jetzt wahrscheinlich auch nicht weiterbringt) und der ‹Rue St. Catherine›. Also wenn ich einmal umfalle bin ich praktisch in der Rue St. Catherine, was so nebenbei bemerkt, die längste Einkaufsstrasse in Europa ist. Nicht schlecht, was? Und – darüber muss ich nun wirklich lachen – gleich um die Ecke ist ein 2 Euro Laden. Zum Glück ist das eine Kette und es war nicht derselbe, in dem ich die Verkäufer genervt hatte. Sonst würde ich mich jetzt nicht mehr auf die Strasse trauen. Naja, keine Ahnung, es ist eine ziemlich interessante Erfahrung bisher. Zum ersten Mal im Leben könnte ich mir ne Pizza nach Hause bestellen – und sie würden es finden! Aber wieso was bestellen, wenn ich genausogut in fünf Minuten in der Pizzeria sitzen kann?

Ich lebe mich wirklich allmählich ein. Ich habe Kundenkarten von Auchan und Carrefour (so’ne Art die Äquivalenten zu Migros und Coop, wenn ich das richtig sehe) und akkumuliere fleissig ‹Superpunkte› oder was auch immer das sein soll. Was ich übrigens ganz erstaunlich finde – obwohl ich nicht sicher bin, ob das in der Schweiz vielleicht auch so ist und ich mich noch nie geachtet habe – die Produkte sind auch mit Blindenschrift versehen. Ich bin wirklich beeindruckt, das ist ja echt mal ne gute Sache! Ausserdem steht bei Lebensmittelwerbung auf Plakaten immer mit drauf, man solle am Tag mindestens 5 Früchte oder Gemüse essen und sich genug bewegen. Ein bisschen wie die tödlichen Warnungen auf Zigarettenpackungen. Ich wusste gar nicht, dass das in Frankreich auch so ein grosses Thema ist. Aber diesen Sommer gab es auch eine Aktion von der Mairie aus, die die Leute auffordern sollte, sich mehr zu bewegen: „Cet été: Bordeaux bouge!“ Ich habe mir jetzt auch wieder ein Fitnesscenter (klingt bescheuert, aber da kann ich sogar endlich mal fernsehen!) gesucht und ein gratis Velo beim ‹Maison du vélo› gemietet, damit sich die Sache mit dem Riesen Couscous (ja, das musste ich jetzt nochmal bringen) ein wenig verzögert. Also bin ich wirklich mehr oder weniger installiert.

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Tolles Puff!

Mein Appartement selber besteht eigentlich aus einem grossen Raum, einer Küche und einem Badezimmer. Angie, die mich eine Woche besucht hat, drückte es sehr treffend aus: «Es ist nicht hässlich, es ist einfach heruntergekommen!» Ab und zu laufen mir so kleine Viecher über den Weg, von denen ich behaupte, dass es Kakerlaken sein müssten, obwohl meine Kenntnisse der Insektologie (das Wort existiert vermutlich auch nicht) sehr beschränkt sind. Die Farbe blättert ein bisschen und der Vermieter hat auch ne interessante Vorstellung davon, was ‹möbliert› heisst. Es gibt zum Beispiel zwei Gestelle (von denen eins so wacklig ist, dass ich mich nur getraue es mit Papiertaschentüchern zu bestücken), nur einen Stuhl, dafür aber eine Plastikpflanze. Was ich damit soll, weiss ich nicht, aber wegwerfen kann ich das Inventar ja auch nicht. Ich habe sie jetzt einmal in den Gang gestellt, neben den Plastikbaum (von dem ich jetzt einfach mal frech annehme, dass er ebenfalls zu meiner Wohnung gehört). Man muss jedoch sagen, dass ich jetzt vor Flutwellen aus meinem Badezimmer gefeit bin – ich kann schon froh sein, wenn genug Wasser rauskommt, um meine Haare zu waschen. Dafür ist die Küche wirklich schön und gross und ich habe wieder Couscous gekocht und dieses Mal dauerte es nur etwa 10 Minuten. Nein, ist alles nicht so schlimm. Eigentlich ist es toll!

Leider habe ich schon eine ziemliche Unordnung, obwohl ich erst gerade eingezogen bin. Ich versuche mir einzureden, dass das genau daran liegt, dass ich gerade eingezogen bin. Aber wen will ich hier eigentlich vergackeiern? Das sieht in zwei Wochen bestimmt noch genauso aus – oder schlimmer, weil ich dann noch mehr Zeugs gekauft habe. Ich habe einfach ein bisschen ein Platzproblem. Da ich es gewohnt bin, so ziemlich alles und davon viel in irgendwelchen Estrichen, Bunkern oder im Stall gelagert zu haben, habe ich hier dummerweise dasselbe angefangen. Und als würde ich erwarten, dass bald der Krieg ausbricht, türmen sich die WC-Papier-Rollen im ‹Wohnzimmer› neben den 20 Packungen Dosenravioli und den fünf Ordnern, die gerade im Angebot waren. Das muss ich mir noch abgewöhnen, ich habe schlicht keinen Platz für Vorräte. Ausserdem ist es unnötig. Die Läden sind gleich um die Ecke und haben bis 9 Uhr Abends auf – und selbst wenn die Schweiz von der Uno aufgeteilt wird und das allgemeine Chaos ausbricht bin ich ja in Bordeaux erstmal sicher.

Diese Woche habe ich aber mal so richtig geputzt (zumindest teilweise sehr intensiv) und es hat mir sogar irgendwie Spass gemacht, obwohl die Dämpfe, die ich im Badezimmer produziert habe, mich beinahe umgebracht haben. Das ‹Wohn- und Schlafzimmer› hingegen ist abgesehen von dem Spiegel und dem Fenster immer noch in relativ dreckigem Zustand. Ein Staubsauger wäre keine schlechte Sache, aber erstens wäre das (sogar Occasion) ziemlich teuer und zweitens habe ich – wie bereits angedeutet – einfach keinen Platz für etwas, dass ich dann wahrscheinlich sowieso nicht oder höchstens alle Schaltjahre einmal benutze. Vielleicht kann ich ja mal meine Nachbarn fragen, ob sie mir ihren Staubsauger mal ausleihen, falls sie denn einen besitzen.

 

Gib Gas! (Oder Strom!)

Ich hoffe einfach, sie stellen mir den Strom und das Wasser nicht ab. (Mittlerweile ist es nämlich auch nicht mehr so schön und heiss hier. Dummerweise habe ich fast nur Kleider für warme Tage (gerade in Camden, London, mit Daniela habe ich mir noch drei wahnsinnig tolle Kleider gekauft. Nicht warm, aber schön. Aber eben, jetzt ist es nicht mehr so warm hier. Ich spiele sogar ernsthaft mit dem Gedanken, mir eine Bettdecke zuzulegen.) Der nette Herr von der Immobilienagentur hat mir gesagt, er ruft mich an und gibt mir die Nummer vom Elektrizitätswerk und ich muss dann irgendeine Nummer angeben, die er mir auch aufgeschrieben hat. Ich hoffe, ich kriege das hin. Sollte ich  eigentlich schon schaffen. Aber eben, am Schluss denken sie wieder, ich wolle eine Karriere als Elektromonteur beginnen…

Das hat sich mittlerweile auch geklärt. Ich habe nie mehr etwas von der Immobilienagentur gehört und darum bin ich dann mal vorbeigegangen und habe nachgefragt. Er war wirklich nett und hat sich entschuldigt, weil er mich vergessen hatte. (Ich hatte immer noch Strom und Wasser, darum war ich auch nicht böse.) Dafür hat er gesagt, er ruft gleich selber an. Nachdem er etwa fünf Minuten in der Warteschlaufe war, mussten wir dann einen anderen Termin abmachen, weil ich keinen Bankauszug dabei hatte (der offensichtlich benötigt wurde). Als ich dann am nächsten Tag mit meinem RIB (Relevé d’identité bancaire) zuückkam, versuchte er es noch einmal. Das war  recht lustig. Es dauerte 25 Minuten, bis die endlich kapiert haben, was er wollte und die mussten allen möglichen Firlefanz wissen. Also alleine hätte ich das nie geschafft. Das Schöne war jeweils sein Gesicht zu beobachten, während er sich über die verschiedenen Menschen am anderen Ende der Leitung aufgeregt hat. Zumindest wir beide haben uns gut amüsiert. Besonders als ich dann selber meinen RIB vorlesen sollte (alles andere konnte er regeln, aber das ist scheinbar irgendeine bescheuerte Vorschrift). Da musste mein Immobilienmakler so lachen, dass ich auch nicht mehr anders konnte. „Ich könnte ihnen ja irgendwen geben oder meine Stimme verstellen!“, antwortete er (vermutlich auf die Frage, was denn bitte so lustig sei). Das fand der andere vermutlich nicht so witzig, zumindest hat er mich dann gefragt, ob ich wirklich ‹ich› sei… Was natürlich extrem viel zu meiner Identifizierung beigetragen hat. Für den ganzen Stress habe ich der Agentur dann am nächsten Tag dafür eine Tafel Schokolade vorbeigebracht. Zum Glück hat mein Bruder mir, als er zu Besuch war, zwei Kilo Lindt Schoggi dagelassen. Eignet sich herrlich zum Einschleimen. Man könnte es zwar auch in Frankreich kaufen, aber die Originalverpackung für teures Geld aus der Schweiz importieren ist doch allemal den Aufwand wert!

 

Es wird heiss!

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Die Küche… natürlich darf der Tiptopf nicht fehlen!;-)

Ich habe jetzt sogar einen Ofen! Von Moulinex (nee, keinen Mixer und die Frau, Yacht, Insel, Meer, Auto, Schloss und Rennpferd fehlen auch noch). Aber er funktioniert. Bisher habe ich noch nichts gebacken, nur Aufbackbrötchen. Das war immer ein Traum von mir. Wenn ich meine eigene Wohnung habe, gibt es am Morgen frische (Aufback)Brötchen! Zuerst war ich hin – und weg. Also wirklich total begeistert. Dann ist gestern etwas passiert, das die Freude ein wenig gedämpft hat. Irgendwie ist das Backpapier ein wenig nach hinten gerutscht und dann hat es angefangen zu brennen. Ich habe mich ganz schön erschrocken. Aber aus einem Reflex heraus, auf den ich im Nachhinein sogar stolz bin, habe ich sofort die Tür zugemacht. Dann hat das Feuer noch eine Weile weitergekokelt und ist irgendwann ausgegangen. Keine Ahnung, ich habe jetzt beschlossen mich davon nicht entmutigen zu lassen. Das passiert halt mal. Erinnert mich an das erste Mal, als ich das erste Mal in der Mikrowelle noch eingepackte Butter versucht habe weich zu machen. Was heisst ‹versucht habe›? Das war nachher flüssig, wie ihr euch vorstellen könnt. Trotzdem, wenn ihr in den nächsten Tagen die Homepage von Bordeaux besucht und auf der ersten Seite statt „Cet été: Bordeaux bouge!“ lest „C’était Eve: Bordeaux brûle!“ wisst ihr ja Bescheid.

So, jetzt wisst ihr wieder, was ich so getrieben habe. Wie ihr seht, geht es mir ausgezeichnet und ihr müsst euch keine Sorgen machen, auch wenn es sich vielleicht manchmal so liest. Es gibt sicher noch das eine oder andere, dass ich eigentlich mal noch erzählen wollte, und jetzt vergessen habe. Aber habt (keine) Angst! Die nächste Mail kommt bestimmt! Bis dahin macht’s gut!

Bisous,
Evil Lynn

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To brie or not to brie – Abenteuer in Bordeaux Teil I

Dinner for (n)One

Ursprünglich schrieb ich diese E-Mails während meines Austauschjahres in Bordeaux… also von Juli 2009 bis Juli 2010. Und weil ich zur Zeit gerade zu faul bin etwas Neues, Kreatives zu schreiben und gleichzeitig geltungssüchtig und exhibitionistisch veranlagt bin: Voilà! (Im Moment  noch die reine Textversion, halbschlau anonymisiert – sobald ich es schaffe (und falls noch die Lust dazu besteht) mit Bildern und / oder Zeichnungen…)

 

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Das malerische Bordeaux… in schwarz-weiss getaucht.

Salü zämä!

So, da ich ja nun wieder eine Weile im Ausland bin, kann ich diese lustige Tradition, ellenlange Mails zu versenden, fortsetzen. Ich weiss, dass ihr schon sehnsüchtig darauf gewartet habt, meine komischen Mails zu lesen – oder auch nicht. Auf jeden Fall bekommt ihr sie jetzt. Und wenn euch das nicht passt, aktiviert ihr am besten euren Spam-Filter oder so. Aber eigentlich solltet ihr euch glücklich schätzen.

Die Fragen bleiben so ziemlich dieselben, wie beim letzten Mal. Wo wohne ich? Wie komme ich wieder nach Hause? Wo finde ich etwas zu essen? Wer cremt mir den Rücken mit Sonnencreme ein?

Nachdem ich am 29. Juni endlich meine Seminararbeit fertiggeschrieben und abgegeben hatte, die nächsten zwei Tage noch ein paar Dinge eingekauft und es am 1. Juli endlich geschafft habe zu packen, bin ich also am 2. Juli um 7 Uhr in den Zug nach Paris gestiegen. In Paris musste ich dann umsteigen und erlebte zum ersten Mal, dass die Franzosen eigentlich ganz nett sind. Ein Mann hat mir ganz spontan geholfen, einen meiner schweren Koffer die Treppe herunterzutragen. Nach Bordeaux kam ich – man höre und staune – eigentlich ziemlich problemlos.

Auch den Campus zu finden war nicht allzu schwer – das Tram(way) fährt direkt dorthin. Ich guckte zum Fenster raus und die Stadt gefiel mir auf Anhieb. Viele alte Gebäude, an jeder Ecke – selbst zwischen den Ecken – Cafés, Bars und Restaurants, die zu einem Besuch einladen… Das war schon einmal ein guter Anfang. Je länger die Fahrt Richtung Campus dauerte, desto weniger interessant sieht es jedoch draussen aus. Ein bisschen mehr heruntergekommen, ein bisschen weniger von allem, was irgendwie nach Spass und Unterhaltung aussieht.

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Die Haltestelle der Université Michel de Montaigne…

Auf dem Campus angekommen zog ich meinen Plan aus der Tasche und versuchte meine Unterkunft, die village 5, zu finden. Das wurde nicht gerade einfacher, da a) mir nicht klar war, ob sich das Sekretariat (dort sollte ich mich anmelden und meinen Schlüssel abholen) im selben Gebäude wie die village 5 befand und wenn nicht, wo ich denn das Sekretariat (welches? Das der gesamten Universität?) finden könnte. b) keine Karten lesen kann. (Überhaupt finde ich mich schlecht zurecht. Dass ich mich beim Orientierungslauf in der Kanti verlaufen habe ist nur ein klassisches Beispiel…) c) ich zwei Rollkoffer hinter mir herzog, es heiss, ich müde und verschwitzt war. d) ich mich in zentrischen Kreisen bewegte. e) Der Campus RIESENGROSS ist..!

Was also tun? Ich frage jemanden. Und siehe da, die junge Frau versteht nicht nur was ich will (Na gut, den Plan in der Luft rumwedeln und „Village 5“ grunzen war vielleicht keine linguistische Meisterleistung und man braucht nicht Einstein zu sein um zu erraten, was wohl mein Problem ist, aber lassen wir das mal bei Seite.), nein, sie begleitet mich sogar und zieht einen meiner Koffer. Sie weiss allerdings auch nicht so genau, wo sich die Village 5 befindet, aber sie fragt mehrere Leute und zusammen finden wir es. Ab und zu versuchen wir sogar, uns zu unterhalten, aber dank meinen beschränkten Sprachkenntnissen verstehen wir nicht wirklich, was der jeweilig andere sagen will und begnügen uns die meiste Zeit mit Kofferziehen und Schwitzen. Schliesslich landen wir in der Village 5, die kein Gebäude ist, sondern vielmehr aus mehreren Häusern besteht (So im Nachhinein scheint das logisch, heisst ja auch village und nicht maison, aber eben, nachher ist ja immer alles klar.) und sie verabschiedet sich.

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Die Studentenunterkünfte von b bis h…
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Mein neues Zimmer beim Einzug!:-)

Dort finde ich dann (erstaunlicherweise) alleine das Sekretariat, wo ich meinen Schlüssel für das Zimmer und einen neuen Plan, nämlich den der Village 5 bekomme, und ich mache mich (mal wieder) auf den Weg. Ich finde das Gebäude ‹AH› sogar sofort und trage meine Koffer einzeln die gefühlten 500 Stufen hoch. Ja, es ist das oberste Zimmer im 4. Stock.
Es ist ein Dach über dem Kopf. Nicht viel mehr und auch nicht weniger. In meinem Zimmer steht ein Bett, ein Schreibtisch mit Stuhl und Tablare, auf die man seine Sachen verteilen kann. Und ich habe meine eigene Toilette – und seit ich sie gereinigt und Klopapier gekauft habe, ist sie sogar benutzbar. Ich würde mich jetzt nicht direkt als jemanden mit einem Putzfimmel beschreiben, aber sogar ich fand das Zimmer ein wenig dreckig und das erste, was ich mir gekauft habe, waren daher Staubtücher und ein Putzlappen. Sowie ein Duftspray – es hat ja seine Vorteile, wenn die Toilette quasi im gleichen Zimmer steht, aber … Eine eigene Dusche zu haben ist ziemlicher Luxus, auch wenn es etwas schade ist, dass ich jedes Mal, wenn ich sie benutze, den ganzen Raum flute. Bisher konnte ich noch nicht herausfinden, wie sich das vermeiden lässt – ich glaube, es liegt für einmal gar nicht so sehr an mir und meiner Ungeschicklichkeit.

Daneben gibt es noch eine Küche, die ich mit vier anderen teile, aber ich habe bis dato noch nichts darin gekocht. Vielleicht liegt es daran, dass ich Angst habe, mir eine Lebensmittelvergiftung zu holen oder weil die einzige Pfanne ein Loch hat. Auch sonst ist nicht wirklich Besteck oder Geschirr zu finden. Was bin ich froh, hab› ich mein gutes altes Schweizer Sackmesser dabei! Der Frigo ist eine Mischung zwischen Eisfach und Kühlschrank, da die Tür zum Eisfach kaputt ist. Das hat zur Folge, dass alle ’normalen› Lebensmittel, die man so im Kühlschrank verstaut wie Milch, Käse und Yoghurt gefrieren und diejenigen, die man in’s Kühlfach legt, beispielsweise Eiscreme oder Tiefkühlgemüse, auftauen. Naja, das Resultat davon ist, dass meine Mahlzeiten ziemlich beschränkt sind und ich zum Frühstück Milch aus der Tüte (wenn sie noch nicht gefroren ist) trinke und Brot über dem Waschbecken verspeise. Ahhh, die Franzosen… das nenn ich doch mal ’savoir vivre›!
Und ja, ich weiss, dass ich ein verwöhntes Goof bin, das müsst ihr mir nicht sagen, ist beim Schreiben schon mitgedacht!;)

 

Wow, es gibt echt viele Läden in Bordeaux. Ja, ich weiss. Es ist ne Stadt, es gibt Läden, krieg› Dich ein! Aber wenn man in einem Dorf wohnt, in dem es nicht mal ne Post gibt… keine Ahnung, es ist toll! Und es hat so cooles Zeug, ich würde am liebsten alles kaufen! So schöne Kleider (wirklich Kleider, ich meine so Röcke…). Und 2 Euro Shops in denen ich irgendwie immer den beinahe unwiderstehlichen Drang verspüre, nach dem Preis zu fragen… Lustige kleine Bistrots und Restaurants in die ich mich fast nicht reintraue, weil es mir vorkommt, als würde ich ohne zu klingeln bei jemandem zu Hause einkehren.

Ich habe mir jetzt auch eine französische Telefonnummer besorgt. (0033 6 25 07 80 37) Der Typ im Laden hat dann ein bisschen mit mir geredet und eins kam zum anderen und er hat gefragt, was ich morgen mache und ich habe gesagt nichts, also haben wir beschlossen uns zu treffen. Ich dachte nicht, dass er sich melden würde (es war mir auch relativ egal), aber er hat mir tatsächlich eine SMS geschrieben und mir ist eingefallen, dass er mir ja das Telefon verkauft hat – also hatte er natürlich meine Nummer. Wir haben uns verabredet ‹pour un verre› und ich habe mir schon so gedacht, okay vielleicht bin ich jetzt gerade sehr naiv. Muss ich ihm wohl noch sagen, dass ich absolut kein Interesse an ihm habe? Also er kann mir die Stadt zeigen und wir können ne gute Zeit haben, aber da wird sicher nichts laufen. Ich hoffe, das ist klar.

Zur Sicherheit habe ich extra noch im Dictionnaire nachgeschlagen, was Freundschaft, Treffen und ‹Date ‹heisst. (Rendez-vous ist irgendwie kompliziert, jede nur denkbar mögliche Verabredung ist ein Rendez-vous hier. Ich hatte zum Beispiel ein Rendez-Vous mit einem Bankangestellten wegen meines Kontos. Das Konto-Eröffnen dauerte übrigens so ungefähr zwei Stunden und der nette Herr hat mir erzählt, dass er in Montreux am Jazz Festival war und Vegetarier ist. Auch gut zu wissen, so was… Ziemlich witzig war, dass ich dann an einem Tag vier Briefe von der Bank bekommen habe, inklusive der Kreditkarte und dem Code dafür. Dann hätten sie das ja gleich in einem Couvert schicken können…viel unsicherer hätts nicht sein können, aber eben, vielleicht bin ich einfach ein zu eingefleischter Schweizer um das nachzuvollziehen.) Also auf jeden Fall kann das Wort Rendezvous nicht das Wort für ‹Date› sein, zumindest wäre es nicht eindeutig genug… Aber ‹Date› war nicht im Dicitonnaire. Dafür habe ich zufälligerweise ‹vergackeiern› (was ja wohl so ziemlich das bescheuerteste Wort überhaupt ist und das ja wirklich kein Mensch braucht (trotzdem hier die Übersetzung: se jouer, se moquer de qn) und ‹Samenbank› gefunden (banque de sperme nur so zur Info). Manchmal ist es schon lustig, was die Leute sich denken, die so ein Wörterbuch schreiben. Vielleicht hat es auch mit der französischen Mentalität zu tun. Da sind solche Wörter halt wichtiger. Jaja, die Klischees lassen grüssen. Aber es hat schon was. Die Franzosen lassen nichts anbrennen, so weit ich das bisher mitgekriegt habe…  Ausserdem sind am Grossteil der Slips der Damen beispielsweise die Strapsenhalter schon angenäht, hab› ich gesehen. Auch nicht dumm, dann verrutschts wenigstens nicht und die Farbe passt auch. Eher dumm, wenn man keine Strapsen dazu trägt. Daraus habe ich messerscharf geschlossen, dass frau in Frankreich häufig Strapse trägt. Das ist zwar logisch kein gültiger Schluss, aber … was interessiert mich Logik jetzt noch? (Habe die Prüfung übrigens – ich glaub’s selbst kaum! – bestanden!!)

Äh ja, wo waren wir? Ah ja, dieses Treffen… naja, auf jeden Fall hab› ich gedacht, das ist ja noch cool, dann kenne ich schon jemanden von hier und der kann mir ein paar Sachen zeigen. So, ich bin jetzt ein neuer Mensch! Ich bin offen! Ich lerne jeden Tag neue Leute kennen! Deshalb werde ich jetzt nicht denken, dass er denkt, dass das ein Date ist und nicht gehen, weil ich kein ‹Date› mit ihm will. Wir trinken und essen etwas zusammen und wir werden vielleicht Freunde! Das kommt Dir bekannt vor? Ja, mir auch.

Wir haben uns an einer Tramwaystation verabredet. Es dauerte allerdings eine Weile, bis wir uns gefunden haben. Das hat vermutlich mehrere Gründe. Erstens war ich anders angezogen (normale Jeans & T-Shirt statt ziemlich schönem Kleid) und zweitens hatte ich keine Ahnung, wie er aussieht. Also hatte er Mühe, mich zu finden und ich hatte sowieso keine Chance. Ja, ich weiss. Ich bin schlimm. Ich wusste noch, dass er irgendwie ’normal› aussah, mehr nicht. Das ist ziemlich arm, ich weiss. Ich habe Mühe, mir Gesichter zu merken, oder Orte (man denke an meine Orientierungslosigkeit), oder überhaupt irgendetwas, wenn ich mal darüber nachdenke. Mir fiel ein echt unsympathischer Typ ins Auge der hin- und herlief mit seinem Handy und ich hatte schon Angst, dass er es war, aber ich hatte Glück. Naja, irgendwann hatten wir es doch noch geschafft. Dann sind wir zusammen auf die Terrasse eines Cafés gegangen. Auf dem Weg haben wir geredet und eigentlich war es okay.

Sowieso, was mein Französisch angeht, es ist wirklich erstaunlich, ich komme eigentlich ganz gut zurecht. Zugegeben, Einkaufen ist ja nicht so schwierig solange man Geld hat und Leute fragen, wo man etwas findet geht auch. Aber trotzdem, ich verstehe eigentlich viel, wenn nicht zu schnell gesprochen wird. Also auf jeden Fall komme ich klar, das ist ein gutes Gefühl, ich hatte es mir schlimmer vorgestellt. Die meisten Franzosen (zumindest die, in die ich reingestolpert bin) haben kein Problem, wenn man nicht perfekt Französisch spricht und können auch Englisch. Häufig versuchen sie es sogar auf Anhieb auf Englisch, sobald sie merken, dass man nicht francophone ist. Das versuche ich allerdings zu vermeiden, immerhin bin ich ja hier um die Sprache zu lernen. Also zusammengefasst komme ich in Alltagssituationen recht gut zurecht, kann mich halt noch nicht so gut ausdrücken, respektive höre einfach mehr zu, als dass ich selbst spreche. Könnte auch noch ne angenehme Abwechslung sein, werdet ihr euch jetzt vielleicht denken. Aber freut euch nicht zu früh, ich lerne schnell! Muahahaha!

So, zurück zu diesem Date ohne Date. (Wahrscheinlich sind die ganzen Abschweifungen ziemlich anstrengend zu lesen, was? Aber ich kann und will es gar nicht ändern. Das ist die Freiheit meines lyrischen Ichs und ich koste sie hiermit vollkommen aus! Ich mag Satzkonstruktionen, je hochgestochener und behämmerter, desto besser. Ja ich weiss, ihr auch.)
Äh ja, nach diesem Einschub über Einschübe (was – nur so nebenbei bemerkt – auch ein ziemlich interessanter poetischer Stil ist, wie ich finde. Like a photo of a photohut. That’s art, man! (That 70s Show, ohjeh, ich fange schon an in meinen Idiotenmails (womit ich selbst und nicht ihr gemeint seid) Fussnoten zu setzen und Referenzen anzugeben, jetzt hört bald alles auf!…)

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Die Tramhaltestelle bei Quinconces.

Also auf jeden Fall haben wir etwas getrunken und er hat irgendetwas von einem Kollegen gefaselt, den er vom Bahnhof abholen müsse und wir würden nachher etwas Essen gehen und ob ich mit ihm kommen wolle oder was ich sonst in der Zwischenzeit machen würde. Also zumindest glaube ich, dass er sowas gesagt hat. Ich musste etwa siebenmal nachfragen, es war etwas merkwürdig. Ich meinte noch, wenn ich ihn nerve, könne er es mir sagen, dann würde ich gehen. Aber er, nein nein. Also erklärte ich ihm, dass ich hier warte und er hat gesagt, er ruft an und ist losgegangen. Gegangen? Ich bin nicht ganz sicher, in meiner Vorstellung rannte er geradezu davon. Seither habe ich ihn nicht mehr gesehen. Ich fand das Ganze eigentlich noch ziemlich amüsant, dass jemand wie wild vor mir flüchtet. Woran es wohl lag? Konnte er an den Jeans ablesen, dass ich kein StrapseUnterhosen anhatte und seine Chancen, mich heute Nacht zu knallen gleich Null waren? War ihm mein Französwiss auf die Dauer doch zu anstrengend? War sein Telefon kaputt? (Neeee, die Ausrede kenn› ich! *!!!HUESCHT!!!*) Aber eigentlich war es wirklich in Ordnung, weil es sich sowieso ein bisschen merkwürdig angefühlt hatte.

Ich hatte mein Tagebuch dabei und amüsierte mich köstlich über die Eintragungen dieses Jahres. Für gewisse Passagen, die ich hier jetzt nicht wiedergeben möchte, sollte ich eigentlich einen Nobelpreis gewinnen. Und jetzt hatte ich endlich Zeit, aufzuschreiben, was seit Ende Mai so alles los war. So lange lag nämlich der letzte Eintrag zurück. Das einzige, was ein wenig blöd war, ist, dass ich nichts zu Abend gegessen habe, weil wir uns ja eigentlich dazu verabredet hatten und nachdem ich so lange gewartet hatte, wollte ich mir kein anderes Restaurant mehr suchen. Ich war auch nicht wirklich hungrig (warum weiss der Teufel). Also blieb ich einfach dort sitzen und schrieb und schrieb und schrieb bis ich aufstehen und gehen musste, weil ich nicht das letzte Tram verpassen wollte (und weil ich nicht sicher war, wann das fuhr, stand ich um halb 12 auf).

Naja, das war also mein erstes ‹Date› (ich weiss noch immer kein passendes Wort) mit einem Franzosen gewesen. Ziemlich behämmerter Typ. Besonders wenn ich ihm sage, dass ich schon gehen würde, aber ’nein nein›. Äh? Wär doch viel leichter gewesen, oder? Dann hätte er sich nicht noch mühsam eine Ausrede ausdenken müssen. Naja…zumindest hat er mir etwas zu trinken bezahlt. Trotzdem: Next!
Also das ist eigentlich alles am ersten Wochenende passiert. Nachher hatte ich ja diesen Sprachkurs am DEFLE und eigentlich kaum je Zeit für irgendetwas. Das lag nicht unbedingt daran, dass ich so wahnsinnig viel gebüffelt habe, wie ihr euch vielleicht vorstellen könnt… Aber es war doch eine sehr SEHR amüsante Zeit! Wir wurden in drei Klassen aufgeteilt. Die Niveaus innerhalb der Klassen waren aber auch schon recht unterschiedlich. Es ging praktisch von blutigen Anfängern, die kaum ein Wort Französisch sprechen konnten über zu solchen Studenten, die seit vier Jahren in Frankreich lebten und die spezielle Briefformeln für ihre Korrespondenz mit den Ministerien lernen mussten. Schon am ersten Abend bin ich mit ein paar anderen essen gegangen und seit da war eigentlich immer jemand – oder besser gesagt viele – um mich herum und ich war dauernd beschäftigt. Das war mal sehr erfrischend und anders, als ich es normalerweise kenne. Manchmal aber auch ein wenig anstrengend, besonders wenn wir zu zehnt durch die Strassen gelaufen sind und uns nicht entscheiden konnten, was wir jetzt machen wollten. Da brauchte ich manchmal dann doch eine kleine Auszeit von dem ganzen Rummel.

Ich mag übrigens immer noch keinen Wein, obwohl ich ihn fast jeden Abend probiert habe (ist hier sehr billig, aber ich mag lieber was anderes. Äh ja, Alkohol ist in Strömen geflossen. Es ist nicht verboten, draussen zu trinken also könnt ihr euch unsere abendliche Aktivität ungefähr vorstellen…). Aber ich war wie immer ein braves Mädchen, hab› auf die anderen aufgepasst und mich gut benommen!:) Naja, einmal habe ich versucht mit einem Pappbecher Regentropfen einzufangen, um ein scheussliches Getränk zu verdünnen, aber das war vermutlich auch das Dümmste, wozu mich der übermässige Alkoholkonsum verleitet hat. Und das zählt ja nicht wirklich, oder? Auf jeden Fall war es jeweils eine ziemlich lustige Gruppe und ich hatte Glück, dass ich die einzige Schweizerin war, so hatte ich gar keine Chance, Schweizerdeutsch zu sprechen. Also eigentlich gabs nur Französisch oder Englisch (oder Spanisch, aber das beherrsche ich ja nicht wirklich). Es war jeweils recht witzig, wenn wir uns in unserem Kauderwelsch unterhalten haben und manche Leute im Tram uns darauf hinwiesen, wie man denn jetzt das Wort ’souper› richtig ausspricht.

Man kann sich unsere Kommunikation so ungefähr wie eine nie endend wollende Runde Activity vorstellen, wobei für jeden Satz alles erlaubt ist (Zeichnen, Erklären und Pantomime). Besonders schwierig, wenn die Amerikaner ihre schwachen fünf Minuten hatten und partout kein Englisches Wort hören wollten (was ja eigentlich gut ist, wir sind ja in Frankreich), aber erklär mal „l’eau“, wenn der Grundwortschatz des anderen nicht wirklich über ‹vin rouge›, ‹briquet› und ‹moi› hinausgeht…

Unzählige Unterhaltungen, die so ähnlich verliefen (man muss sich dann meinen Schweizer Akzent und den amerikanischen Akzent vorstellen, dazu kommen meistens noch fünf andere Austauschschüler, die auch noch versuchen zu erklären…)

„blablabla d’eau blablabla“
„Qu’est-ce que c’est „d’eau“?“
On peut le boire.“
„C’est du vin?“
„Non. Dans l’océan par exemple il y a beacoup d’eau.“
„Qu’est-ce que c’est l’océan?“

(sehr, sehr viel später)

„Ah tu ‹mean›  ‹oooh’“
„Non, d’eau!“
„That’s what I just said!“
„Okay, laisse tomber…“

Ein weiterer Grund, wieso ihr dieses Mail erst jetzt kriegt, ist, dass ich selten Internetzugang habe. Der Computerraum der Sprachschule war genau dann offen, wenn wir Kurs hatten, also gestaltete sich das ein wenig schwierig… Leider habe ich niemanden kennengelernt, der auch in Bordeaux studiert. Die meisten sind bereits wieder nach Hause gegangen oder reisen sonst noch ein wenig durch die Gegend. Das ist schade, aber auch nicht weiter verwunderlich.

Wegen Streiks fängt das Semester nämlich erst im Oktober an, also dümple ich hier noch ziemlich lange rum ohne wirklich etwas zu tun zu haben. Auch lustig. Das heisst, falls ihr Lust und Zeit habt nach Bordeaux zu fahren, ihr seid herzlich willkommen.

Ich denke, ich werde mir wohl bald eine Arbeit suchen. Zuerst sollte ich mich aber um eine Wohnung kümmern. Ich habe schon viele gesehen, aber bisher hat mir erst eine wirklich gefallen und ich hoffe, dass ich die kriege. Einen Ofen hat es zwar nirgends, aber das ist hier glaube ich normal. Auf jeden Fall geht es mir sehr gut hier. Die Stadt ist schön und bisher hatte ich auch schon sehr viel Spass. Ich freue mich sehr hier noch so lange bleiben zu können!:)

Also, das wär’s mal so weit von mir. Machts gut und tut nichts, was ich nicht auch machen würde!


 

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